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Vater Pehrkon, nicht dein Wille,
Dem ich still mich unterwerfe,
Nur der Eltern Angst und Thorheit
Füllt mit Trauer meine Brust!
In den Turm da soll ich steigen,
Wie ein Dieb mich feig verkriechen
Vor dem Gott, des Sonnenauge
Alles, alles kennt und sieht, –
Nein, das kann ich nicht ertragen,
Das verstört mich, das erzürnt mich,
Das befleckt, besudelt mich!
Frei als Mann den Tod erwarten,
Wie ein Krieger mit ihm ringen,
Das ist Ehre, das ist Lust!

Wär’ ich nicht zu frühem Hingang
Von Kind auf bestimmt gewesen,
Hätt’ ich wohl ein tapfrer Krieger,
Schlachtenlenker werden mögen.
Viel der Feinde noch bedrohen
Uns im Norden, Süden, Osten,
Die wir kaum erst warm geworden
In dem schwer erkämpften Lande.
Eh’rne Herzen, eh’rne Arme,
Frische freie Köpfe sind uns
Not in solcher bösen Zeit!
Da mir solches nicht beschieden,
Will ich wenigstens als tapfrer
Krieger sterben stolz und frei.
     (Er steht auf.)
Wie nur mach’ ich’s, wie vollend’ ich’s ?


     (Er geht in Gedanken auf und nieder. Die Jünglinge und Jungfrauen sind inzwischen von der Scene verschwunden. Maija allein blieb im Hintergrunde und tritt jetzt zu ihm.)


          Maija.
Wardst du endlich Sinnens müde?
Schau, die Sonne ging schon unter,
Rötlich glänzen Birkenwipfel,
Vöglein flattern müd’ zu Neste
Und der Erdkrebs pfeift sein Nachtlied.

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/54&oldid=- (Version vom 26.12.2019)