Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/30

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wolf und Ziege schwören heilig,
Immerdar sich zu vertragen;
Aber schon vor Sonnenaufgang
Hatte sie der Wolf gefressen.

Prahlten einst zwei reiche Leute,
Wie sie überwintern wollten: –
Untern Schnee kroch flugs der Roggen,
In den Bienenstock die Biene.

Bachstelz’ will durch jene Lache
Mit den kleinen goldnen Füßchen;
Hilf ihr, Bruder, flink herüber.
Denn dein Bräutchen will sie werden!

Sag mir. kieselreiches Bächlein,
Warum du so träge hinschleichst?
Wurden dir zu schwer die Kiesel,
Oder hemmt dich deine Tiefe?
     „Leicht könnt’ ich die Kiesel tragen,
     Doch die eigene Tiefe hemmt mich!“

Reich sei dieser, reich sei jener,
Ficht’ und Tanne sind die reichsten:
Tragen Sommers, tragen Winters
Ihre kostbar grünen Röcke.

Fand am Grabenrande liegen
Eine volle Gerstenähre.
Brachte sorglich sie nach Hause,
Trug sie auf den frischen Acker;
Von der einen Gerstenähre
Hatt’ ich später hundert Maß.

Kehr zu Gott heim, liebes Sonnchen,
Gönn uns endlich Feierabend!

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/30&oldid=- (Version vom 11.1.2019)