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In freier Natur.


Warum haben heute abend
Sich die Waldspitzen gerötet?
Untergehend hat die Sonne
Ihren Seidenrock gelüftet.

Spricht die Sonne untergehend:
„Höret auf, o Arbeitsleute!
Sind die Händ’ euch noch nicht müde
Von des langen Tages Frondienst?

Hohe Dünen stehn am Meere,
Rote Beeren dort erwuchsen:
Viel geweint hat dort die Sonne,
Ihre Thränen sind die Beeren.

Mach ein Boot mir, lieber Vater,
Web ein Segel, liebe Mutter!
Will ins blaue Meer hinaus,
Kämpfen mit dem wilden Nordwind!
Ob er weiß auch schäumt die Wellen,
Weißer doch erglänzt mein Segel! …

Furcht den Acker, liebe Brüder,
Furchet nicht die falsche See!
Nicht im Boot klingt Silbermünze,
Aber wohl im Haus des Pflügers.

Ging vorbei an meinem Flachsfeld,
Nahm vom Kopfe ab die Mütze:
Meine weißen Hemden wachsen
Dort – und Kleingeld zum Vertrinken!

Gerne seh’ ich eine Kanne
Bier, mit weißem Schaum darauf,

Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/26&oldid=- (Version vom 10.1.2019)