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Wenn ich erst mal Hochzeit halte,
Will ich alle reich beschenken.
Geb’ der Lind’ ein blaues Wolltuch,
Geb’ der Eich’ ein goldnes Handtuch,
Geb’ dem kleinen Birkenbäumchen
Schöne Diamantenblätter.

Frag nach einem klugen Manne,
Frag nach keiner Roggenkleete!
Denn so manche Roggenkleete
Steckt in klugen Mannes Kopfe.[1]

Vor der Thüre auf die Erde
Legte ich ein Birkenreis.
Kam ein Mädchen – schritt herüber,
Kam ein zweites – schritt herum,
Kam ein drittes – hob das Reis auf, –
Dieses dritte wird mein Schatz!

Find’ ich mir kein Birkenzweiglein,
Nehm’ ich doch kein Ellernreis;
Find’ ich keinen jungen Freier,
Nehm’ ich doch den Witwer nicht.
Schwer von vielen, vielen Thränen
Ist ja eines Witwers Hand.

Nimmermehr wird die mein Liebchen,
Die vor mir sich eitel spreizt;
Jene, jene will ich nehmen,
Welche mich so ängstlich flieht!

Weiße Rose, grünes, schlankes
Schilfrohr blühn im Mühlenteiche:
Weiße Ros’ ist meine Schwester,
Grünes Schilfrohr ist mein Liebchen

  1. Kleete, ein Vorratshaus für Getreide, Mehl, Fleisch u. s. w.
Empfohlene Zitierweise:
Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/21&oldid=- (Version vom 10.1.2019)