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des ursprünglichen Laima gesetzt, ja es werden mitunter beide in einem Atem, als gleichbeliebte und gleichberechtigte Göttinnen, genannt. Ähnlich mag es dem Lihgo ergangen sein, dem Frühlingsgott, als dessen Hauptfest die Sommersonnwendnacht galt, (die Johannisnacht), welche, ganz wie in Mittel- und Süddeutschland, in Tirol u. s. w., noch heute in Lettland mit Höhenfeuern, Gesang, Tanz und allerhand Mutwillen gefeiert wird. Die bei dieser Gelegenheit gesungenen Lieder enden stets mit dem Refrain: „lihgo, lihgo,“ manchmal auch „Lihgo-Jahnis“ – und feiern den Jahnis, d. h. Johannes den christlichen Patron des Johannisfestes, der aber eigentlich nichts anderes ist als eben jener vom Christentum „depossedierte“ alte Gott Lihgo. Bekränzte Burschen und Mädchen gehen am Johannis-Abend (23. Juni nach julianischem Kalender) singend von Bauernhof zu Bauernhof; das sind die „Johanniskinder,“ welche von der „Johannismutter“ (der Frau des Hofbesitzers) mit Käse, Honig, Weißbrot, Milch, wohl auch mit Bier und Branntwein, bewirtet werden. …

Neben diesen echten und rechten Volksgöttern kommen in Liedern, Sprichwörtern, Zauberformeln und Märchen noch viele andere vor, ebenfalls personifizierte Elementar- und Naturkräfte oder Symbole für siderische Vorgänge und abstrakte Begriffe. So gilt heutzutage Uhßing als eine Art Pferde- und Bienengott, scheint aber im Altertum eine viel größere Wichtigkeit gehabt und geradezu das nach der Wintersonnwende stetig und machtvoll aufstrebende Tagesgestirn bedeutet zu haben. Ferner die Lauma, eine Erdgöttin, mit Macht über Regen und Hagel ausgerüstet; ihr war der Abend vor dem Freitag geheiligt, an welchem kein Mädchen spinnen durfte. Puschkaitis, der Gott der grünen Haine; Antrimpus, auch Bangpuhtis genannt, der Beherrscher des

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Victor von Andrejanoff: Lettische Volkslieder und Mythen. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1896, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AndrejanoffLettischeVolkslieder.pdf/12&oldid=- (Version vom 2.9.2016)