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Also: Durch die Brechung der Zinsknechtschaft wird der Sparsinn vernichtet, der Mensch endet im Armenhause.

Daß die Brechung der Zinsknechtschaft ganz allgemein seinen Einfluß auf den Sparsinn habe, muß entschieden verneint werden. Sparrsinn hat ebensowenig wie z. B. Verschwendung mit geltenden wirtschaftlichen Anschauungen etwas zu tun. Sparsinn und Verschwendungssucht sind menschliche Eigenschaften, die entweder vorhanden sind oder fehlen, ganz gleich, ob ein Zeitalter den Zinsgedanken predigt oder den Zins verpönt.

In den Zeiten des Übergangs kann wohl eine Erhöhung oder Verminderung des Sparsinnes hervorgehoben werden. Ich neige aber im gegebenen Fall viel mehr der Anschauung zu, daß ein vernünftiger, wirtschaftlich veranlagter Mensch sich folgendes sagen wird: Ich kann in Zukunft nicht mehr damit rechnen, daß ich nur von meinen Zinsen leben kann. Leben will ich aber in späteren Jahren, und auch meinen Kindern noch etwas hinterlassen, also muß ich jetzt mehr sparen. Diese Wirkung muß meines Erachtens die Brechung der Zinsknechtschaft auf die Mehrzahl der Menschen ausüben, denn sonst sind sie ja für das Alter auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Ich muß auch an dieser Stelle noch einmal nachdrücklichst betonen, daß bei der derzeitigen Belastung des Besitzes durch direkte Steuern und jeglicher Lebenshaltung durch indirekte Steuern von den schönen Zinsen nichts übrig bleibt — außer wenn — und da ist ja das ungerechte und zu Bekämpfende — das gesamte Einkommen nur aus ewiger Kapitalrente fließt, also ein Sinken des Sparsinns ist wohl nicht zu befürchten.

Ist denn (das hassenswerte) Großkapital wirklich so ganz unfruchtbar, hat es nicht auch die Mittel geschaffen zu großartigen Fortschritten, die größere Früchte für die Menschheit tragen als der Zins des Leihkapitals ausmacht?

Nein! Die Fragestellung beweist nur, daß mammonistische Phrasologie unseren klaren Blick getrübt hat.

Das Großkapital hat nicht die Mittel geschaffen, zu großartigen Fortschritten, sondern das Großkapital ist aus der Arbeit gewachsen! Jedes Kapital ist aufgespeicherte Arbeit. Das Großkapital ist an sich unproduktiv, weil eben Geld an sich eine durchaus unfruchtbare Sache ist. Aus Geist, Arbeit und vorhandenen oder bereits erarbeiteten Rohstoffen oder Bodenschätzen sind Werte geschaffen, Güter erzeugt worden, durch Arbeit und nur durch Arbeit.

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/61&oldid=- (Version vom 29.10.2017)