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Der Finanzpolitiker und Bankfachmann wird die Brechung der Zinsknechtschaft der Kriegsanleihen und Staatsschulden als unmöglich erklären, weil dies gleichbedeutend mit dem Staatsbankerott sei.

Sie verzeihen — staatsbankerott sind wir ja nach Ihren Reden ohnedies oder müssen es werden. Eine öffentliche Staatsbankerotterklärung wäre aber die größte Dummheit, die wir machen könnten; sie würde zu der tatsächlichen Unfähigkeit der jetzigen Machthaber auch noch die geschichtliche Bestätigung dieser Unfähigkeit vorzeitig bringen.

Wozu denn Bankerott erklären, wenn ich aus der rechten Hosentasche in die linke meine 3 Mark gesteckt habe, dann muß ich doch deshalb nicht den Bankerott der rechten Hosentasche erklären!

Anders war es doch nicht mit der Kriegsanleihe! Das Reich holt aus den Taschen des Volkes die ersten wirklich vorhandenen Milliarden, dann flossen die Gelder wieder zurück; dann kam die neue Anleihe, und wieder strömte das Geld zurück; abermals kam die Pumpe und saugte die Milliarden, und wieder ebbten sie zurück, bis glücklich, nachdem das Spiel neunmal wiederholt war, und der Staat 100 Milliarden Schulden gemacht hatte. Dafür hatte das Volk 100 Milliarden schön gedrucktes Papier in Händen. Zuerst bildete es sich ein, es sei so und so viel reicher geworden, dann kam der Staat und sagte: „Es ist entsetzlich, ich habe 100 Milliarden Schulden und stehe vor dem Bankerott.“ — Ja warum denn? Das ist doch nur eine Selbsttäuschung! Ich selbst kann doch nie bankerott werden, wenn ich mein Geld auch noch so oft von der einen Tasche in die andere stecke. Also über den Staatsbankerott im Hinblick auf unsere internen Kriegsanleiheschulden können wir uns ganz beruhigen. Deshalb brauchen wir wirklich keinen Staatsbankerott anzusagen und die Riesenarbeit mit den dummen Zinsen und den großen, aber noch dümmeren Steuern können wir uns wirklich sparen. Machen wir uns doch endlich frei davon, die Geschäfte des Großleihkapitals zu besorgen! Nur das Großleihkapital hat Nutzen von diesen Anleihe-Zinsen-Steuer-Schwindel, denn ihm bleibt ein schöner Batzen Geld über und diesen Überschuß zahlt das arbeitende Volk in Gestalt von indirekten Steuern; der kleine und mittlere Kapitalist aber dreht sich dabei einfach im Kreis herum.

Der Weltwirtschaftspolitiker sagt: Die Brechung der Zinsknechtschaft ist nicht möglich bei uns in Deutschland allein durchzuführen; das muß international gemacht werden, sonst verlieren

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/53&oldid=- (Version vom 29.10.2017)