Reichtum in gar keiner Weise ein Hemmnis bereitet wird; im Gegenteil wird, wie wir gesehen haben, das ganze werktätige Volk von einem dumpfen, unerklärlichen, schweren Druck befreit; unser Seelenleben wird gereinigt von einem berauschenden Gift.
Wie richtig im Laufe der Geschichte die Fruchtbarkeit des Zinsproblems erkannt worden ist, erkennen wir daran, daß zu allen Zeiten und in allen Völkern das Zinsproblem die Geister beschäftigte. Der Kampf gegen den Zins ist in der Geschichte der Völker nicht neu.
Im Alten Testament finden wir an verschiedenen Stellen, so 3. Mos. 25, 5. Mos. 15 Bestimmungen über Zinsnachlässe in der Form, daß das siebente Jahr jedesmal ein Hall-Erlaß oder Jubeljahr sein sollte, in welchem alle Schulden den Volksgenossen nachgelassen werden sollten.
Solon hat im Jahre 594 v. Chr. durch Gesetz die persönliche Schuldknechtschaft aufgehoben. Man nannte dieses Gesetz die große Seisachtheia. (Lastenabschüttelung.)
Im alten Rom verbot die lex Gemicia vom Jahre 332 v. Chr. den römischen Bürgern kurzerhand überhaupt das Zinsennehmen.
Unter Kaiser Justinian wurde ein Zinseszinsverbot erlassen, mit der Bestimmung, es dürften überhaupt keine Zinsen mehr gefordert werden, wenn die rückständigen Zinsen bis zur Höhe des ursprünglich dargeliehenen Kapitales angewachsen seien.
Papst Leo I. d. Gr. erließ im Jahre 443 ein allgemeines Verbot, Zinsen zu nehmen; es war bis dahin nur den Klerikern untersagt, Zinsen von einem Darlehen zu fordern. Nun wurde das Zinsenverbot Teil des kanonischen Rechtes und auch eine für die Laien verbindliche Vorschrift. Allmählich schloß sich auch die weltliche Gesetzgebung den kanonischen Anschauungen an, und bedrohte das Zinsnehmen sogar mit Strafe. Wir finden dies in den Reichspolizeiverordnungen der Jahre 1500, 1530 und 1577.
Allerdings wurden nun derartige Gesetze viel bekämpft und vielfach umgangen, und es mag nur noch bei diesem ganz kurzen historischen Rückblick als eine erstaunliche historische Tatsache erwähnt sein, daß während das kanonische Recht vom 11. bis 17. Jahrhundert den Christen das Zinsnehmen verboten hatte, dies den Juden gestattet war.
Es wäre außerordentlich reizvoll, zu untersuchen, welche wirtschaftlichen Auswuchserscheinungen jeweils zu diesen gewaltsamen Lastenabschüttelungen geführt haben. Es wäre besonders wertvoll, zu sehen, welche Mächte und Kräfte die Zinsverbote immer wieder durchbrochen haben.
Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/35&oldid=- (Version vom 29.10.2017)