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den Auswirkungen des Gedankens die Erfahrung machen, daß die heilsamen Folgen schließlich wieder jedem einzelnen persönlich zugute kommen werden.

Gerade an dem schon oben angeschnittenen Problem der Zinslosmachung der Kriegsanleihen habe ich schon klar zu machen versucht, daß der kleine Kapitalist, also alle die Hunderttausende, die durch eine mehr als amerikanische Werbetätigkeit für die Zeichnung der Kriegsanleihen zur Hingabe ihrer Ersparnisse veranlaßt worden sind, von den Zinsen nicht nur nichts haben, weil sie ja selbst dafür die Steuern zahlen müssen, sondern bei der auf Schonung des Großkapitales zugeschnittenen Steuergesetzgebung für die Zinsen der Millionenzeichnungen mitzahlen müssen. Ich denke mir, daß abgesehen von diesen höchst realen Betrachtungen allein schon ein Apell an alle um das Wohl ihrer Kinder besorgten Anleihebesitzer genügen müßte, um den Verzicht auf ewigen Zins aus den Schuldverschreibungen des Reiches als ganz natürlich hinzunehmen. Der Zins belastet unsere Kinder. Was verliert denn eigentlich der Patriot, der seinem Vaterland in höchster Not 10 000 Mark gegeben hat, in diesem Falle anderes, als nur ein wucherisches Anrecht darauf, 50 000 Mark allein an Zinsen innerhalb hundert Jahren zu beziehen, ohne daß dadurch sich das Kapital auch nur im geringsten abgenützt hätte? Ewig müssen seine Kinder und Enkel dafür arbeiten, daß nur zu allererst diese Zinsen bezahlt werden können.

Die Frage der Rückzahlung der geliehenen Summen kann in verschiedener Weise gelöst werden. In meinen kurzen Leitgedanken zu vorliegendem Problem, die ich der Regierung des Volksstaates Bayern am 20. November vor. Js. eingereicht habe, habe ich den Vorschlag gemacht, einfach an Stelle der Zinszahlung die Rückzahlung treten zu lassen in 20 Jahres-Raten von 5%. Ich glaube im folgenden noch einen weit besseren Vorschlag machen zu können, der ob seiner Einfachheit sicherlich den Vorzug verdient: „Die Kriegsanleihestücke werden unter Aufhebung der Verzinsung zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt.“ Das ist das Ei des Kolumbus. Der Vorteil dieser Maßnahme ist zunächst der, daß eigentlich niemand etwas davon merkt. Die Anleihestücke bleiben ruhig in den Depots liegen, nur kriegen sie keine Jungen, so wenig wie ein Buch, oder ein Schrank, oder ein sonstiger verbrauchbarer Gegenstand, den man an seinen Freund geliehen hat.

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/33&oldid=- (Version vom 29.10.2017)