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beziehen wird und das von Rechts wegen zu Lasten der werktätigen Bevölkerung.

Der kleine Rentner, der nur von seinen Zinsen lebt, wäre zweifellos geschädigt. Der kleine Rentner wird schadlos gehalten. Ist er arbeitsfähig, so müßte er sich natürlich entschließen, sich ein Arbeitseinkommen zu verschaffen. Damit stellt er sich dann immer noch sehr viel besser, als die Millionen seiner Volksgenossen, die nichts haben, außer ihrer körperlichen oder geistigen Arbeitskraft. Will er das nicht, so muß er sein Vermögen einzehren. 20 Jahre lang hat er ja schließlich immer noch daran zu zehren, wenn er wie bisher 5% an Zinsen von nun ab als Einzehrung verbraucht. Für Personen, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten, oder durch Krankheit und Alter geschwächt sind, muß selbstverständlich durch Ausbau der sozialen Fürsorge für alle Bevölkerungskreise für eine entsprechende Existenz gesorgt werden.

Ich stelle mir die soziale Fürsorge wie folgt vor:

Nehmen wir an, eine ältere Dame, eine Witwe, die bisher von den Zinsen eines Kapitalvermögens von 60 000 Mark leben mußte, wird durch die gesetzlich ausgesprochene Brechung der Zinsknechtschaft um ihre Einnahmequelle gebracht. Hier wäre durch weitesten Ausbau des Leibrentenwesens der betreffenden Person Gelegenheit gegeben, eine ihrem Kapital entsprechende Leibrente zu beziehen, wobei die jährliche Rente sogar gegenüber dem bisherigen Zinserträgnis erhöht werden könnte, um auch diesem Personenkreis einen gewissen Ausgleich für den gesunkenen Geldwert zu geben. Also so daß z. B. gegen die eingelieferten 60 000 Mark in Schuldtiteln des Reichs, der Staaten oder in Pfandbriefen eine jährliche lebenslängliche Rente von 4000 Mark gegeben werden könnte. Hat die Witwe Kinder und will sie diesen einen Teil des Vermögens vererben, so kann ihr freigestellt werden, nur 40 000 Mark in eine Leibrente umzuwandeln, während die restlichen 20 000 Mark für die Kinder erhalten bleiben. Aus den 40 000 Mark könnten ja nach dem Alter der Leibrente Nachsuchenden bis zu 1/12 des eingelieferten Kapitals gegeben werden. Auch hier sei wiederum darauf verwiesen, daß durch die Brechung der Zinsknechtschaft die Lebenshaltung der Witwe durch den Fortfall der drückenden Steuern ganz erheblich verbilligt wird.

Es würde weit über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausgehen, im einzelnen den persönlichen Interessen einzelner Schichten der Bevölkerung nachzugehen. Es kann sich bei einer so umwälzenden Forderung auch gar nicht um persönliche Interessen handeln und trotzdem wird man bei

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/32&oldid=- (Version vom 29.10.2017)