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nur eine Verfünffachung oder Verzehnfachung der indirekten Steuern übrig; eine Unmöglichkeit! oder die klare Einsicht, daß einzig und allein die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes uns Rettung bringen kann. Ein ungeheuerer Selbstbetrug war die ganze Kriegsanleihewirtschaft. Hundert Milliarden hat das deutsche Volk von sich für seinen Krieg geborgt. 5 Milliarden Zinsen hat es sich dafür versprochen; 5 Milliarden Steuern muß es also bezahlen. Nutzen hat nur der Großkapitalist, der so viel Kapitalrenten bezieht, daß er sie unmöglich aufbrauchen kann und durch die Kapitalrentensteuer wird ihm ja nur ein ganz bescheidener Prozentsatz abgenommen, wie wir gesehen haben.

Ich hoffe schon jetzt durch die großen Linien meiner Beweisführung das menschlich begreifliche Erschrecken vieler Leser verscheucht zu haben ob des eventuellen Entgangs ihrer Zinsbezüge aus ihren schönen Wertpapieren.Kleinlicher Egoismus darf das große Ziel nicht verschleiern. Nur ganz kurz möge an einem Beispiel gezeigt werden, daß die ganze Zinsenwirtschaft große Selbsttäuschung ist, und zwar will ich dabei an eine oberste Grenze gehen von gut bürgerlichen Einkommensverhältnissen.

Gesetzt den Fall, das Arbeitseinkommen eines Familienoberhauptes sei 10 000 Mark, dazu noch 500 Mark aus Kapitalsrenten, so sind hieraus zunächst ungefähr 1500 direkte Steuern zu bezahlen, ferner in Gestalt der teueren Mieten werden mindestens 1000—1200 Mark für den ewigen Mietzins abzuziehen sein; — weitere 1000 Mark dürften durch die indirekten Steuern der fünf- bis sechsköpfigen Familie aufgezehrt werden, und schon jetzt erkennt man, daß bereits unter den glücklichen Steuerverhältnissen aus früheren Jahren von den schönen Kapitalrenten des kleineren und mittleren Kapitalisten gar nicht viel übrigbleibt. Heute kann von „Übrigbleiben“ schon gar keine Rede mehr sein; im Gegenteil erhebliche Teile des Arbeitseinkommens werden wohl, wenn man heute die phantastischen derzeitigen Steuerpläne sich ansieht, auch noch weggesteuert werden.

Ganz anders sieht sich natürlich die Sache an für den Großkapitalisten, der, sagen wir einmal, nur 1 Million Kapitalrenten bezieht. Nutzen hat nur der Großkapitalist. (Solche Leute gibt es in Deutschland heute ziemlich viele.) An Kapitalrentensteuer zahlt dieser Glückliche, wenn es hoch kommt, 50—60 000 Mark. An indirekten Steuern zahlt er auch nicht mehr als der Familienvater des vorigen Beispieles. Für seinen Haushalt kann er schließlich auch bei der heutigen teueren Zeit mit 40—50 000 Mark doch noch ganz angenehm leben. Bleiben ihm bare runde nette 900 000 Mark, für die er im nächsten Jahre bei 5% Zins neue 45 000 Mark Leihzinsen

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/31&oldid=- (Version vom 1.10.2017)