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Alkohol und Geschlechtskrankheiten, für Anlage von Gartenstädten und Siedelungen, insbesondere für die Unterbringung und menschenwürdige Versorgung unserer Kriegsbeschädigten.

Unser Blick weitet sich. Wir sehen Neuland. Abschaffung aller Steuern könnte die Brechung der Zinsknechtschaft bedeuten? Sie würde es bedeuten, wenn wir als siegreiches Volk aus diesem Riesenkampf hervorgegangen wären. So wollen wir nicht zu früh frohlocken, dafür werden die uns von unseren Feinden auferlegten Lasten sorgen. — Aber jedenfalls wir sehen Neuland auf Grund der soeben angestellten, doch höchst einfachen Betrachtung unseres bayerischen Staatshaushaltes.

In den Grundzügen finden wir ganz ähnliche Verhältnisse in den übrigen deutschen Bundesstaaten, und es ist nicht zu viel gesagt, daß aus den Überschüssen der werbenden Staatsbetriebe, also den Eisenbahnen, Posten, Telegraphen, Forsten, Bergwerken usw. alle staatlichen Aufwendungen für die gesamte Rechtspflege, für die gesamte innere Verwaltung, einschließlich der Staatsbauten, alle Ausgaben für Erziehung und Bildung, sowie für Kultuszwecke, ohne Schwierigkeit bestritten werden könnte. Also ein geradezu idealer Zustand.

Warum ist das nicht so? Der Zins hat sich eingeschlichen. Wegen der Zinszahlung werden der Bevölkerung die Lebensmittel verteuert; Der Zins verteuert alles. wegen der Zinsen wird Zucker und Salz, Bier und Wein, Zündhölzer und Tabake und zahllose andere Bedürfnisse des täglichen Bedarfes mit indirekten Steuern belegt. Wegen der Zinsen müssen direkte Steuern erhoben werden, die sich scheiden in Grundsteuern, die auf verteuertes Getreide abgewälzt werden; in Haussteuern, die die Miete in die Höhe treiben; in Gewerbesteuern, die die schaffende Arbeit belasten; in Einkommensteuern, die unabwälzbar die Lebenshaltung der Beamten und Festbesoldeten herunterdrücken, und endlich ganz am Schluß, bescheiden im Geben, unersättlich im Nehmen kommt das Leihkapital mit den Kapitalrentensteuern. Aus 253 Millionen eingenommenen fatierten Kapitalrenten in Bayern auf Grund der Steuererklärungen des Jahres 1911 wurden ganze 8,1 Millionen an Staatssteuern bezahlt.

Wir haben gesehen, daß jede Kapitalrente, jeder Kapitalzins letzten Endes ausschließlich durch die Arbeit des ganzen Volkes aufgebracht werden muß. Wir haben gesehen, daß die Zinsenzahlung für die Staatsschulden den größten Posten in unserm Staatsbudget ausmachen, und wir haben gesehen, daß die Kapitalrenten-Steuerpflichtigen nur einen höchst bescheidenen Beitrag zu den Staatseinnahmen beisteuern.

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Gottfried Feder: An Alle, Alle! 1. Heft. Huber, München 1919, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:An_Alle,_Alle!_Heft_1,_1919.djvu/29&oldid=- (Version vom 1.10.2017)