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würde hiesigem Rat niemals geraten haben ein solches Werk zu unternehmen, ohne 3 Tonnen Goldes (300 000 Taler) in Vorrat liegen zu haben.“ Der Rat habe den Bau zur rechten Zeit inhibiert, doch sei es nach eingezogenen Erkundigungen zweifelhaft, ob, wie Schmidt angab, seine Fensterverdachungen bereits alle fertig waren, als die Oberbaukommission im Juli 1766 ihm andeutete, daß sie kein gutes Aussehen hätten. „In contrarium des Exnerschen Gutachtens, soviel die Realia betrifft“ sei der Kommission nichts beigefallen. Der Rat solle das Äußerliche gänzlich nach Exners Plan bauen, bei Steindecke auch in allem übrigen nach Exner sich richten. Bei Zweifel könne der Rat bei der Kommission anfragen. Da Exner die Obsicht habe, werde er etwaige Abweichungen Schmidts merken. „Bei diesen Umständen halten wir Verschickung der Pläne nicht für nötig.“

Dies Gutachten zeigt ein völliges Versagen der Kommission. An ihren detaillierten Auftrag hatte sie sich überhaupt nicht gehalten. Die verlangte unparteiische Prüfung der Gründe pro et contra, die Okularinspektion, die statische Berechnung, alles fehlte. Dagegen hat sie sich mit Exner, der doch Partei war, völlig identifiziert. Bei Berufung auf frühere Einwände drehte sie sich im Kreise, sie stammten von Exner, auf ihnen fußte er, deren nötige Nachprüfung und Begründung unterließ sie. Daß sie mangels Anweisung früher ihre Bedenken verschwiegen habe, ist nicht glaubhaft, zumal ihr ausdrücklich auch die Prüfung der Pläne hinsichtlich der Festigkeit aufgetragen war. Bureaukratisch wie die Kommission hier scheinen wollte, zeigte sie sich sonst, auch im guten Sinne, nicht. Im Gegen­teil fehlte ihr gerade die unpersönliche Neutralität der Beamten in der öffentlichen Verwaltung.

Von Exners Randbemerkungen fiel natürlich nicht eine pro, sondern alle contra Schmidt aus. Den ersten und breitesten Raum nimmt die Pfeilerfrage ein. Die Frauenkirche lehnt er als Ver­gleichsbeispiel ab, da ihre Kuppel gut verankert werden konnte, da „die Hauptmauern und (Strebe-) pfeiler einen Teil der Last zu tragen und die Gruftgewölbe die Pfeiler verspannen“. „Sie würde haltbarer sein, wenn die Pfeiler stärker.“ Sie sei nichts weniger als ein vollkommen festes und halt­bares Gebäude. „Einem Baumeister, der nicht nur für seine Lebenszeit, sondern auch für die Nach­kommen bauen soll, ist es nicht zu vergeben, wenn er die begangenen Fehler wiederum imitieren wollte.“ Dann führt er aus, was Schmidts Pfeiler zu tragen haben. „Sollte man nicht mehr Aufmerksamkeit auf diese hohen Stützen haben?“ „Um nicht bloß mit Wissenschaft, sondern auch mit Erfahrung aufzuwarten“ zieht er als Exempel die katholische Hofkirche an. Bei geringerer Weite des Schiffes und Gewölbes (31 gegen 36 Ellen), geringerer Höhe bis unter das Gewölbe (57 gegen 66 Ellen), geringerem Pfeilerabstand (7 Ellen 3 Zoll gegen 15 Ellen) habe sie doch 18 Pfeiler von je 16 1/4 Quadratellen Querschnitt gegen 8 Pfeiler von nur je 14 7/8 Quadratellen bei der Kreuzkirche Schmidts[1]. „Was für ein Unterschied! Ich habe also nicht zu viel getan mit meiner Behauptung.“ Die Hofkirche „ist mit großer Vorsicht angelegt. Die Pfeiler sind stark genug, aber nach der Angabe nicht zu stark.“ Dann wird der Vorwurf fehlender Verspannung der Pfeiler im Grunde wiederholt. „Einem Baumeister kann es für unanständig und unweise gehalten werden, wenn er bei einem Gebäude die Menage in Gründen suchen will, da das ganze Gebäude so kostbar angelegt ist, und wo ein etwas mehrerer Aufwand im Grunde gegen die Kosten des ganzen Werkes in geringer Proportion stehet.“

Zu den aus der Fassade abgeleiteten Einwürfen gegen seine Innengestaltung erklärte Exner, die Zeichnung Schmidts, die beweisen sollte, daß Exners Fensteranordnung ohne Rücksicht auf die Emporen erfolgte, „ist nicht der geringsten Betrachtung wert“. Sein eigenes Profil hebe allen Zweifel. Gegen den Einwand zu hoher Emporenanlage heißt es: „Wie bei einem dergleichen Gebäude Alles erhaben sein muß, also muß auch der untere Teil nicht gedrückt erscheinen.“ Der Einwurf, daß Exners Pfeilerstärke dem protestantischen Bauzweck zuwider sei, „findet vernünftiger Weise nicht statt, wenn man deswegen den Pfeilern an Stärke abbrechen und den Bögen an Weite zugeben soll, damit die Zuhörer mehr sehen und hören können, wenigstens bei gegenwärtigem Gebäude nicht nötig. Dieses ist schon mehr als zu groß, daß ohngeacht eine große Menge Zuhörer ihren bequemen Platz finden. Festigkeit und Sicherheit hat daher den Vorzug.“ „Die Kanzel habe ich in die Mitte an einen Pfeiler

gesetzt, allwohin sie gehöret, wenn ein Teil der Zuhörer sowie der andre den Prediger deutlich vernehmen


  1. Die Kreuzkirche hat nicht 8, sondern 10 Pfeiler, auch deren Querschnitt ist in Schmidts Eingabenplänen größer.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/98&oldid=- (Version vom 15.4.2024)