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diesfalls angestellter genauer Untersuchung habe sich ergeben, daß sie nicht zusammengehängt, wenig abgesetzt und a proportione der Weite der Bögen und der Last darauf zu schwach seien. Dies und noch einige andere Monita habe er dem Rat in einem abschriftlich beiliegenden Bericht schon mitgeteilt. Er frage an, ob Prinz Xaver ein von der Oberbaukommission dieserhalb auszustellendes Attestat gnädigst anzubefehlen geruhe. „Da ich auf hohen Befehl zur Ausführung dieses Werkes gezogen worden, so würde ich mir entweder wenig Einsicht zutrauen, oder ich würde mir bei der Welt und der Nach­kommenschaft unverantwortliche Fehler beizumessen haben, wenn ich nicht der Wahrheit gemäß solche Fehler anzeigete, die noch abzuändern.“ Darum habe er seine „endlichen Vorschläge“ aufgestellt. Beim Kabinett blieb Exners Vortrag, der etwa zu gleicher Zeit eingereicht wurde, als das Konsil die erste Ratseingabe erhielt, ein Vierteljahr ohne Entschließung liegen, bis der zweite Ratsbericht vorlag.

Die Verteidigung Schmidts, der jetzt das erste Mal schriftlich gegen Exner auftrat, war intensiv und nicht ungeschickt. Zur Erläuterung legte er einen Plan mit den Grundrissen und Schnitten der Kreuz- und Frauenkirche bei[1]. Mit Hinweis auf die Frauenkirchenpfeiler, die schwächer im Quer­schnitt, aber stärker beansprucht seien, und auf den alten Turm, der nur 2 1/2 Ellen Fundamenttiefe gehabt und doch ein halbes Jahrtausend sicher gestanden, suchte er die statischen Einwände gegen seine Pfeiler zu entkräften. „Auch ist dies ein ganz neuer Einfall des Herrn Gegners, daß bei der Ober­baukommission etwas wäre gedacht worden wider die Weite der Bögen und Schwäche der Pfeiler[2], maßen ich mich dessen nicht zu erinnern weiß, ungeachtet man mich zu drei verschiedenen Malen dahin kommen lassen.“ Exners Innenanordnung, die aus den Fassaden und dem Bericht erkennbar war, widerspreche dem Bauzweck. „Ist bei Evangelischen Kirchen wohl zu beobachten, daß die meisten Zu­hörer sowohl die Kanzel, Altar und Parterre übersehen und den Prediger hören können, deswegen auch die Pfeiler so schwach und die Bögen so weit angelegt werden müssen, als die Festigkeit des Ge­bäudes zulässet.“ Gegen den Vorwurf zu niedriger Postamente heißt es, „die Höhe des Betstubenbodens (4,10 m) ist schon mehr als zu hoch und mit gutem Bedacht, damit die Zuhörer zu oberst auf den Emporkirchen an der Hauptwand ebenfalls Prediger und Altar samt dem Parterre mit sehen können, worauf besonders bei einer Kirche das Augenmerk zu richten“. Nach Exners Plan liege das Gewölbe über den Emporen niedriger, eine zweite Empore könne gar nicht angelegt werden, und der ersten Empore sei das Licht verbaut. Wolle Exner das Gebälk über die Arkadenbögen legen, so müßten diese pendentif, d. h. auch im Grundriß bogenförmig gewölbt sein, was bei den großen Spann­weiten überhaupt nicht ausführbar wäre. „Wenn der Oberlandbaumeister mir zur Last legen will, als wäre die Kirche nach dem elendesten Geschmack, so mag aus diesen und mehreren anderen in seinen Monitis vorkommenden spöttischen und bitteren Expressionen jeder unparteiische Leser wohl wahr­nehmen, aus was vor einer bitteren Quelle dieselben hergeflossen und daß sie mehr eine üble Neigung seines Willens als wahrhafte Überzeugung der guten Meinung zugrunde haben. Inmittels tröstet mich mein Gewissen, daß ich nicht ohne Beruf und aus interessierten Absichten mich dem Werk unter­zogen, daß ich die zugehörigen Grundrisse, Fassaden und Durchschnitte mit möglichster Akkuratesse gefertigt, daß ich dabei alle Regeln der Architektur sorgfältig in acht genommen und nicht weniger auf die Dauer, als auf die Bequemlichkeit der großen Gemeinde mein Absehen gerichtet, und daß ich dabei alle mögliche Ersparnis gesucht. Wie nun dieses alles nach jedermanns billigem Ermessen ohne müh­same Arbeit und vielfältig gefertigte Profile ohne Erwägung der Last, die ein jeder Teil zu tragen hat, und ohne Überdenken des ganzen Werkes keineswegs geschehen könne, also werden sich viele ge­schickte Männer finden, die mich weiter als nach dem bloßen Namen kennen und wissen,... daß es mir weder an Theorie noch Praxis fehlt.“ Dann folgt eine Skizze seines Lebensganges und seiner Leistungen als Architekt[3]. „Aus diesem allen wird das wohlgesinnte Publikum von mir eine bessere Meinung fassen und denen gegenseitigen Vorbildungen, als hätte ich bei itziger Anlage der Kreuzkirche

ganz ohne Kopf gearbeitet, um so weniger glauben, als die ersten Risse approbiert wurden.“ Zuletzt


  1. R. A., B. 38 vol. II S. 91. Auf diesen Plan gehen die betreffenden Abbildungen in dieser Arbeit zurück.
  2. Tatsächlich ist nach den Protokollkopien der beiden Sitzungen im Juli 1766 dieser Einwand gegen die Pfeiler (nicht gegen die Bögen) erhoben, aber auf Schmidts Verteidigung hin nicht weiter verfolgt worden.
  3. Vergl. oben S. 13 flg.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/96&oldid=- (Version vom 15.4.2024)