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ab, die hier schon deshalb geboten war, weil der vorhandene Nordturm mit benutzt werden sollte. Die Stirnfront konnte außerordentlich wirkungsvoll werden, da die auch hier geplante Dachanschweifung ein freies Aufsteigen der Türme gestattete. Später verwandelte man das Kirchendach in eine steile, hohe Mansarde, wohl um die Anschweifung zu vermeiden und den Mittelsaal zu erhöhen; die Folge war die Einschiebung eines Zwischenstückes an der Turmfront, das ohne einem inneren Zweck zu dienen die Massenwirkung erheblich verschlechterte.

Die Ausführungsart ist die gleiche wie bei Schmidts erstem Entwurf, Pfeiler und Emporen­gewölbe massiv, die Mittelsaalüberdeckung von Holz.

Im ganzen ist der Plan eine außerordentlich tüchtige Leistung Hünichens. Unter Zugrunde­legung des Dresdner Stils ist die ganze Raumanlage klar und übersichtlich geplant, sehr geschickt in allen Teilen ausgenützt und das protestantische Bauprogramm trefflich erfüllt.


Johanniskirche in Zittau.
Maßstab 1 : 1000.
Plan im Zittauer Ratsarchiv.


In geringerem Maße zeigt sich der Einfluß der Dresdner Schule bei den Kirchen in Hohenstein (bei Glauchau) 1757 und Lichtenstein 1781–85. Diese sind unter sich verwandt und weisen schlanke Mittelsäle mit polygonalem Abschluß von rund 8 : 24 bez. 8 : 26 m auf. Der Altar steht vor seiner Arkade an der Schmalseite, ihm gegen­über die Orgel.

Außer den bereits besprochenen weist Sachsen aus dem 18. Jahr­hundert nur wenige Neubauten auf. Die Folgen der Brühlschen Miß­wirtschaft und des Siebenjährigen Krieges mögen daran schuld sein. Diese wenigen aber zeigen kein Fortschreiten, sondern eine Rückentwicklung. Bei der nach Schmidts Tode von Eigenwillig erbauten Waisen­hauskirche z. B. sind zwar die deckentragenden Emporenstützen vor­handen, aber die Decke selbst ist wieder flach und ohne Oberlicht. Die Saalwirkung ist durch Weglassen der Arkaden an der Altarseite zerstört. Jedes Verständnis für Bährs künstlerische Raumgedanken fehlt. Die Kirche ist inzwischen abgebrochen.

Den stärksten Eindruck auf die Architekten des 18. Jahrhunderts hat unter den Dresdner Kirchen die Frauenkirche gemacht. Aber es fehlte an Gelegenheit zur Durchführung ähnlicher Gedanken. Sehr eng an ihre Raumbildung hält sich ein Entwurf, der von dem späteren Aka­demieprofessor Hölzer stammt und der wegen seiner Beziehungen zur Kreuzkirche noch zu besprechen ist. An die Raumanlage der Kreuzkirche lehnt sich ein im Hauptstaatsarchiv befindlicher Plan in neugotischen Formen von einem sonst nicht bekannten Architekten Friedrich Wilhelm Fischer. Die letzten noch einigermaßen würdigen Ausläufer des Dresdner Stils sind die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erbauten, nach ihrem Baumeister genannten Uhligkirchen[1], die bedeutendste in Mildenau bei Annaberg mit rechteckförmigem Saal­grundriß und Kanzelaltar an der Schmalseite.

Dresdner Einfluß in Hamburg.

Durch Joh. Leonhard Prey, dem erwähnten zweiten Schüler Bährs, wurde dessen Kirchenbaustil

nach Hamburg übertragen. Preys bedeutendstes Werk ist die jetzt zerstörte Große


  1. Uhlig lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Altenhain bei Chemnitz. Die Kirche in Mildenau ist 1835–39 erbaut. Drei Emporen umgeben allseitig einen Rechtecksaal von 9,44/20,43 m Größe und 13,58 m Höhe. Altar und Orgelwand sind geschweift. Die in Weiß und Gold gehaltene Kirche mit ihrer Lichtfülle macht einen feier­lichen, festlichen Eindruck. Sie gilt in der ganzen Umgegend bei der älteren Generation als eine besonders schöne Kirche. Als aber ein Nachbardorf eine ähnliche Kirche wünschte, mußte es von einem Kirchenbaumeister sich belehren lassen, daß die 50 Jahre alte Mildenauer ein „Schauspielhaus“ sei. Die Gemeinde bekam eine gotische Kirche und trägt nun schwer an den Kosten der ständigen Reparaturen. – Außer der Mildenauer sollen von Uhlig erbaut sein: die Kirchen in Altenhain selbst, in Großwaltersdorf bei Eppendorf und in Schwarzbach bei Elterlein.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/71&oldid=- (Version vom 16.5.2024)