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zum Ausdruck, neben ihm das Altarhaus durch einen besonderen Glockenturm, der in der Ausführung dem Ecktürmchen zuliebe zu einem bescheidenen Dach zusammensank. In Hohnstein bekrönt ein massiger niedriger Turm das Ganze über dem Altarplatz, an der Verbindung zwischen Gemeinde­raum und Altar, der Idee nach eine Kombination der Kuppel und des Glockenturms der ersten Frauenkirchenpläne. Auch bei der Dreikönigskirche liegen Turm und Altar räumlich beieinander.

Der Einfluß der Bährschen Baugedanken auf den Kirchenbau der Zeit ist noch wenig untersucht. Auch hat man bisher bei Veröffentlichungen mehr Wert auf die Grundrißbildung, weniger auf den Querschnitt gelegt. Die Analyse der Bährschen Eigenart wird es möglich machen, seinen Anteil z. B. an der Klingenthaler Kirche zu präzisieren. Von seinem Umbau der Kirche in Königstein sind Pläne und Nachrichten nicht erhalten. Der jetzige Ausbau stammt aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts[1] und ähnelt dem der Loschwitzer Kirche. Pläne für die Großenhainer Kirche in der Sammlung für Baukunst könnten sich auf den um 1735 erfolgten inneren Umbau beziehen und würden dann sicher von Bähr sein. Der Querschnitt schließt sich eng an den der Dreikönigskirche an. Die Orgel liegt hier wie dort dem Altar, der im gotischen Chor steht, gegenüber. Der Saal ist dem vorhandenen Lang­haus angepaßt. Die Pläne könnten auch ein Vorprojekt Schmidts für die Renovation der Kirche nach dem Brande von 1744 sein. Von einer Mitwirkung Bährs bei anderen Kirchbauten ist mir nichts bekannt geworden.

Wenn auch Bähr seinen neuen Kirchentyp selbständig fand und aus einer großen Genialität heraus stetig entwickelte, so war doch auch er in Abhängigkeit von der vorangegangenen Zeit. Vom Rechteck ausgehende Saalanlagen mit Arkadenumgängen waren mehrfach ausgeführt, so der vielgerühmte reformierte Tempel in Charonton und eine Reihe protestantischer Schloßkirchen. Die 1569 erbaute Augustusburger weist sogar massive Deckenbildung auf, aber die Längsachse herrscht durch die Mitteltonne einseitig vor. Die Emporen bestehen aus logenartigen Räumen mit Glas­abschluß, Vorläufern der später so beliebten Betstübchen, „Glasstühle“ oder „Chöre“. Die organische Einbeziehung der hölzernen Emporenstützen war bereits in den schlesischen Friedenskirchen erreicht, ohne daß indessen eine höhere künstlerische Raumbildung erzielt wurde.

Das Motiv der schlanken Rundbogenarkade, das für protestantische Emporenkirchen besonders geeignet erscheint und für den Bährschen Stil charakteristisch ist, tritt auch vereinzelt schon vorher auf, so in der 1690 erbauten Kirche in Sondershausen, einer ausgesprochenen dreischiffigen Langhaus­anlage mit weitgespannter Holztonne.

Die einzige jüngere Kirche, die Bähr in Dresden vorfand, war die 1686–88 erbaute, 1733 abgebrochene Dreikönigskirche. Der nur 17,6 / 28,3 m i. L. große Innenraum war als dreischiffige Halle ausgebildet. Durch Einbau von Emporen an der Orgel und den Langseiten gewann das Mittel­schiff, dessen Breite das 1 1/2 fache der Emporentiefe betrug, saalartigen Charakter, doch fehlte hierzu die selbständige Decke, durch welche die Pfeiler mit ihren Gurtbögen sofort zu Arkaden würden. Die Beibehaltung des doppelt so tiefen als breiten Chores vermehrte den schiffartigen Eindruck des Mittelraums. Grundriß und Querschnitt hatten manche Ähnlichkeit mit der Kirche in Kürbitz i. V. (1624–26), mehr noch mit der bedeutend größeren, 1649–51 erbauten, 1750 abgebrannten Großen Michaeliskirche in Hamburg. Auf Bähr war von der älteren Dreikönigskirche wohl vor allem von Einfluß, daß hier zum erstenmal mehrere Emporen streifenartig als Holzkonstruktion mit den massiven Pfeilern des Saalraums verknüpft waren. Frühere Versuche, Kirchen mit Emporen zu schaffen, in Augustusburg, Frankenhausen und anderwärts, waren gescheitert an dem Streben nach massiven Einbauten und an den hierdurch bedingten, aber störenden stärkeren Pfeilermassen.

Auch die Bestrebungen, zentrale Raumanlagen, polygonale Säle zu schaffen, waren schon auf­getaucht, so am Beginn des 18. Jahrhunderts in Berlin. Die Garnisonkirche in Wolfenbüttel von Korb (1705) hat sogar einige Ähnlichkeit mit Bährs Dreikönigskirche, ohne daß deshalb von einem direkten Einfluß auf Bähr die Rede sein kann. Das Streben, zu einem charakteristischen protestantischen

Kirchenraum zu kommen, äußerte sich vor allem in den Sturmschen Schriften. Auf Bährs Raum­bildung


  1. Chronik der Stadt und Festung Königstein, 1879.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/58&oldid=- (Version vom 16.5.2024)