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Entwicklung der Raumanlage strebt und sie mit seinen architektonischen Ausdrucksmitteln zur Dar­stellung bringt, oder ob er historische, besonders katholisch-mittelalterliche Formen und Räume den protestantischen Zwecken anzupassen sucht. Solche archäologische Bestrebungen, die etwa von der alt­christlichen Basilika oder der gotischen Langhausanlage ausgingen, haben im Kirchenbau des 19. Jahr­hunderts vorgeherrscht. Von den Schloßkapellen abgesehen, stehen auch die Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts unter dem Banne überlieferter Raumformen, oder erheben sich nur wenig über die notdürftigste Zweckerfüllung. Die Bauten des 18. Jahrhunderts dagegen können (vergl. auch Fritsch, Der Kirchenbau des Protestantismus) als Erzeugnisse eines einheitlichen architektonischen Strebens nach organischer künstlerischer Entwicklung der zunächst noch Rücksichten der Zweckmäßigkeit angepaßten Anlagen angesehen werden.

Diese Entwicklung vollzog sich, wenn wir von einigen früheren Bauten in Berlin, einigen späteren in Hamburg absehen, ganz besonders in dem kunstsinnigen Dresden (Sommer). Hier führte Georg Bähr den protestantischen Kirchenbau zur höchsten Stufe der Vollendung (Gurlitt, B. u. R. Deutschl., S. 83).

Als die Erneuerung der Kreuzkirchenruine in Frage stand, erklärten Schmidt und Locke, daß es wohl möglich sei, unter verschiedenen Änderungen „eine ganz schöne protestantische Kirche moderner Bauart daraus zu machen“. Das Programm einer solchen stand in zweckmäßiger Anordnung und künstlerischer Ausbildung in Bährs Werken verkörpert vor aller Augen. Seine Schöpfungen wirkten zwingend auf die Mit- und Nachwelt, schul- und stilbildend. Schmidt ist in Bährs Hause aufgewachsen, sein Schüler und Gehilfe gewesen. Eine Würdigung Schmidts als protestantischen Kirchenbaumeisters wird vor allem seine Stellung zu Bähr und dessen Einfluß auf sein Wirken zu beleuchten und festzustellen haben.

Bährs Kirchenbaustil.

Bährs Eigenart im Kirchenbau kam an kleinen Aufgaben, an Dorfkirchen, zur Entwicklung. Bähr, der erste in Sachsen, der sich die dem Französischen entnommene Bezeichnung „Architekt“ beilegte, hatte neben seiner baukünstlerischen Ausbildung auch eine bauhandwerkliche und zwar als Zimmerer, nicht wie sonst üblich als Maurer. Dieser Umstand war nicht belanglos. Der von Bähr weiter gebildete Kirchentypus zeigt in einem rechteckigen Innenraum auf drei Seiten hölzerne Emporen eingestellt, an der vierten Seite den Altar. Die Empore erfüllt recht und schlecht ihren Zweck. Aber sie ist nicht organisch ins Bauganze eingefügt, sondern sie erscheint als nachträglicher Einbau. Solche Kirchen gibt es allerorten. Die bedeutendsten sind die protestantische Kirche in Worms (1705–25) und die Katharinenkirche in Frankfurt a. M. (1678–80), erstere mit 20 m, letztere mit 17 m l. Weite.

Bährs Streben ging zunächst auf eine zentrale Raumanordnung durch Zusammenkomponieren der Altarseite mit den Emporen. Durch deren Aufstellung über polygonalem Grundriß schuf er geschlossene Saalanlagen. Die Stützen endeten mit der obersten Emporenbrüstung. Eine horizontale voutenartig zur Außenwand überleitende Decke schloß den Raum nach oben ab. Durch Aufstellung der Umfassungen in eine gedrungene Kreuzform wurde die künstlerische Wirkung auch innen bereichert.

Ein weiterer Schritt vorwärts war die Höherführung der schlanken Emporenstützen, ihre Zu­sammenfassung zu schlanken Arkaden durch Bögen unter der horizontalen Decke der Emporen und die Ausbildung einer selbständigen höheren Voutendecke über dem Mittelsaal, den die Emporen bogenartig umgaben. So entstand eine einheitliche hallenartige Raumgruppe von hohem künstlerischen Wert und von weihevoller Stimmung.

Die Kirche in Loschwitz (1705–08) war seine erste. Wie weit Bährs Tätigkeit beim Bau ging, ist aus den Akten nicht zu ersehen.[1] Er rangiert stets hinter dem Ratsmaurermeister Johann Fehre. Doch wird er bereits von Anfang des Baues an genannt. Zweifellos ist die Planung sein Werk. Die Grundform ist polygonal. Noch sind die Emporen hufeisenförmig am Altarplatz abge­schlossen.

Aber ihre Horizontalen werden vom Kanzelaltar wieder aufgenommen. Seine Stellung und


  1. R. A., D. XVII. 17 flg.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/51&oldid=- (Version vom 27.3.2024)