Seite:Alfred Barth Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.pdf/45

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

sächsische Material, Kirchleither Stein mit einer Druckfestigkeit von 600 bis 700 kg / qcm[1]. Eine Be­anspruchung von 30 bis 35 kg / qcm würde noch immer 20 fache Sicherheit bieten. Doch würde es zulässig erscheinen, für das Pfeilermauerwerk sich mit geringerem Sicherheitsgrad zu begnügen, da dieses mit der größten Sorgfalt ausgeführt wurde[2]. Für die untersuchten Querschnitte ergaben sich die Werte der Tabelle.

Die auftretenden Beanspruchungen bleiben alle innerhalb der heutigen Zulässigkeitsgrenzen. Ein Kantenpressung der Pfeiler von 44,6 kg / qcm wird, wie schon gesagt, keinesfalls auftreten. Aber auch sie bietet noch 15 fache Sicherheit. Die Schmidtsche Pfeilerstärke wurde von seinen Gegnern selbst für Holzgewölbe als zu schwach erachtet. Die Berechnung zeigt mit wie wenig Recht.

Die Scheitelstärke des Gewölbes nahm Schmidt zu 0,283 m (1/2 Elle) an. Dieses Maß entspricht genau den heute geltenden empirischen Formeln.[3] Als Widerlagsstärke wählt man heute das Doppelte. Vermutlich hat auch Schmidt sie so dimensioniert. Aus seinem Querschnitt ist dies nicht ersichtlich. Doch zeigt auch der Kuppelmantel der Frauenkirche ein solches Anwachsen.

Die Beanspruchung der Gründungssohle wird die berechneten Mindestwerte kaum überschreiten, die Drucklinie genau im Mittelpunkt angreifen. Zulässig sind jetzt in Sachsen für guten Baugrund bis 5 kg / qcm. Der Baugrund der Kreuzkirche bestand aus einer mächtigen Lehmschicht über derbem Kies, er war also ganz vorzüglich. Beweis dafür ist auch, daß der alte Turm trotz der überaus un­günstigen und ungleichmäßigen zwischen 2 und 6 kg / qcm schwankenden Beanspruchung des Grundes erst einstürzte nach Bloßlegung und Aufweichung seiner Sohle.

Als ein Hauptmangel an Schmidts Plan wurde von seinen Gegnern das Fehlen „einer Ver­bindung beziehentlich Verspannung der Pfeiler im Grund“ bezeichnet. Was man damit meinte, ist nicht klar zu ersehen. Hollenberg, ein osnabrückischer Landbaubeamter, der auf einer Studienreise 1779 mit Hölzer und Krubsacius gesprochen hat, schreibt in seinen Erinnerungen,[4] „man getraut sich nicht das steinerne Gewölbe auszuführen, weil der Grund der Pfeiler nicht mit dem Fundament der äußeren Umfassungen zusammen verbunden ist“. Bankettfortsetzung, wie sie ein späterer Plan von Krubsacius aufweist, führt nicht zur Ausgleichung verschieden starker Beanspruchung des Grundes, schließt Risse nicht aus, erfordert sehr viel Material und Kosten. Daß man an Kontregewölbe[5] dachte, dafür findet sich kein Anhalt. Die Baukunde des Architekten (Berlin I. Bd. 1. Teil S. 92) bezeichnet solche als angebracht, um das unregelmäßige Setzen der Pfeilerfundamente zu verhindern bei „nicht besonders festem Boden“, vor allem „bei geringer Gründungstiefe“. Keins von beiden trifft für die Kreuzkirche zu.

Für Schmidts Plan wäre ein gefährliches Setzen der Pfeiler nach der Einwölbung nicht zu befürchten, da laut Tabelle die Differenz zwischen der Sohlenspannung von Pfeiler und Umfassung selbst im untersuchten Querschnitt sehr gering ist. Die alte Kreuzkirche wies ebenso wie andere gotische Kirchen weder Verspannung noch Verbindung der Pfeiler auf. Auch bei der katholischen Hofkirche ist eine solche nicht erfolgt. Ihre Gruftgewölbe kommen nicht in Frage. Wie weit bei der Frauenkirche die Gewölbe und Gurte der Grüfte auf eine Vergleichmäßigung der Drucke günstig einwirken, wäre erst zu untersuchen, vermutlich nur wenig. Da sie unbelastet sind und nur wenig Masse im Vergleich zu den Hauptfundamenten besitzen, erfüllen sie keinesfalls die Aufgabe von Kontregewölben. Die Gründungssohle der Kreuzkirche liegt genau so tief wie bei der Frauenkirche. Auch der Böschungs­winkel der Fundamente ist der gleiche.


  1. Vergl. Koch, Die natürlichen Bausteine Deutschlands, Berlin 1892. Tabellen auf Grund von Ermittelungen des Verbands Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine. Stein Nr. 729.
  2. Die Pfeiler haben sich auch beim Brand der Kirche 1897 bewährt. Obwohl höchstens 1/5 des Kernes intakt blieb, erfolgte kein Einsturz. Die Fundamente erwiesen sich als durchaus solid und tadelfrei.
  3. Vergl. die Rondeletschen Formeln (Hütte, 14. Aufl. II. S. 217). Die Scheitelstärke eines unbelasteten Halb­kreisgewölbes in Haustein beträgt nach der Formel  m bei 21 m Spannweite: 0,29 m.
  4. Hollenberg, Bemerkungen über verschiedene Gegenstände u. s. f. Stendal 1782.
  5. Kontregewölbe waren wohl damals noch nicht allgemein bekannt. In JF. Blondel, Cours d’Architecture. Paris 1771–73. Tour V Table LXVII, findet sich ein sehr einfaches Beispiel, das aber erst von Patte, Blondels Nachfolger, eingeschoben ist.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/45&oldid=- (Version vom 27.3.2024)