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die Fruchtgehänge (Hirsch, Annen-, Kreuzkirche usw.) erinnern noch an die frühere Zeit Schmidts, auch die Anordnung eines Schaftes im Mittel ist charakteristisch für ihn. Nach dem Akademiegeschmack war dies verpönt, nicht aus statischen Gründen, sondern nach der französischen Anschauung über Sym­metrie mit bestimmtem Mittelpunkt (vergl. Schumann, B. u. R. S. 61). Vor allem beweist die Überein­stimmung der Fassade mit den zuletzt erwähnten Rissen Schmidts Urheberschaft. Der überaus stattliche und vornehme Eindruck entspricht dem Charakter als Absteigequartier beamteter Adliger.[1] Hierzu stimmt das Innere, „mit stattlicher Raumanordnung um einen schmalen Hof“ (Gurlitt, Kunstd. Dresd.). Der Bau ist jetzt gänzlich verändert. Daß die Fassade den Beifall der damaligen Akademiker gefunden habe, ist nicht anzunehmen. Die „Wohlanständigkeit“ gestattete ihnen nicht, an einem einfacheren Wohngebäude eine Pilasterordnung anzubringen. Mit ihnen lobt es einmal Hasche ausdrücklich, daß die Baumeister „nicht die große und für öffentliche Gebäude und Paläste anwendbare Bauart der Paläste nachahmten“.

Der gemeinsame Grundzug dieser Werke erinnert an die italienische Renaissance. Durch die Gründung der Akademie war dem Kampfe gegen das Barock in Dresden eine Basis gegeben. Die Begeisterung für die Antike bemächtigte sich aller Kreise. Publikationen ihrer Werke erschienen. Der klassizistischen Richtung der Zeit konnte Schmidt sich nicht entziehen. Nicht etwa äußerem Druck wich der Sechzigjährige, das wird sein Verhalten bei der Kreuzkirche zeigen. Künstlerisch noch jung genug wandte auch er sich der Antike zu, aber nicht ihrem „Geiste“, ihren „Regeln“, sondern ihren strengeren Formen. Er schloß sich nicht einfach der Akademie an, sondern bewahrte sich seine künstlerische Selbständigkeit. Der barocke Grundzug seiner Kunst tritt uns auch an diesen Bauten noch entgegen, in einzelnen Details, wie in der Wahl der dorischen Ordnung mit ihrem dekorativen Triglyphenfries. Das beste Erbteil aus der vergangenen Periode, was ihn über die Akademiker hinaushob, war sein gesunder Blick für das, was wirkt, verbunden mit einer glücklichen Konzeptions­gabe. Welcher Unterschied zwischen den Pilastern am Landhaus des Krubsacius und denen Brüdergasse 25!

Zu den klassizistisch beeinflußten Bauten Schmidts gehört noch das Eckmiethaus An der Frauenkirche 5[2] mit acht Achsen in der Front. Über dem gefugten Sockel sind die Fenster der beiden Hauptgeschosse und die des Mezzanins in Blenden gestellt. Die Fenster der Mittelvorlage sind korbbogig und höher geschlossen. Das Motiv ist dem Palastbau entnommen. Neben Rechteckfüllungen treten in den Vorlagen vertiefte Felder, über dem Sockelgurt eine durchbrochene Brüstung auf. Ihre Linienführung ist die gleiche wie am Kreuzturm und am Bährschen Haus in der Seestraße. Die mittleren Blenden sind nicht wagerecht geschlossen, sondern in der Ecke durch Viertelkreisstücke verbreitert. Die mittleren Dachfenster zeigen eine bei Schmidt beliebte Linienführung. Wieder trifft ein Schaft auf das korbbogige Tor mit gegliedertem Schlußstein. Die dekorativ umgebildeten Blenden, die Art der Füllungen (die mittleren erinnern an den „Bär“) und die Gesamtkomposition zeigen ein barockes Empfinden, das den Akademikern fremd war. Das Gebäude hebt sich von der Menge der gänzlich nüchternen Fassaden im Akademiegeschmack durch etwas reizvollere Gliederung und die stattlichen, wirkungsvollen Vorlagen erfreulich ab.

Der Überblick über die Werke Schmidts hat gezeigt, daß er durchaus nicht nur der „Zimmer­meister“ war, wie ihn seine Gegner gern geringschätzend bezeichneten, sondern daß er über eine bedeutende künstlerische Kraft verfügte. Seine Formenwelt gehörte dem Barock an, wenn sie auch in immer größerer Mäßigung zum Vortrag kam und schließlich nur noch in den Details als solche

erkennbar blieb. Vermöge seines Phantasiereichtums und der Elastizität seiner Bildkraft nahm er das


  1. 1797 dient es als solches einem Freiherrn von Friesen auf Rötha und gehört einer Geh. Rats-Witwe von Schaurath.
  2. Nach den Auszügen aus Kauf- und Lehnbüchern im R. A. wurde die Brandstelle 1766 durch den Stadt­schreiber Tr. Fr. Langbein erworben. 1772 erfolgte die Belehnuug. In der Zwischenzeit dürfte das Haus erbaut sein. Langbein war der Inspektor und Bauherr der Annenkirche. Die Beauftragung Schmidts lag nahe, ebenso wie Bor­mann 1770 sein Haus von Eigenwillig erbauen ließ (Teil IV a). – Gurlitt, Kunstd. Dresd., S. 735 mit Abb. Nr. 617. – Dietrich a. a. O., S. 58 Abb. Nr. 92.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/32&oldid=- (Version vom 18.4.2024)