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mittleren Verdachungen finden wir in gleicher Form an Kreuz- und Annenkirche und über dem Gewandhausportal wieder. Vom Hirsch zum Bär dürfte sich eine Brücke von gleichartigen Bauten Schmidts spannen, die inzwischen verändert oder übermalt sind. In diesen Bauten verknüpfte Schmidt gemäßigte Barockformen mit der Blendenarchitektur und schloß sich in der Verteilung des Schmuckes an der Fassade den damals in Dresden herrschenden Anschauungen an. Sein Schaffen war von Bähr und Longuelune etwa gleichstark beeinflußt.

Eine weitere Gruppe von Bauten bilden die großen Kirchen Schmidts. In Großenhain[1] (1745–48) waren die gotischen Umfassungen mit ihren Strebepfeilern mit zu benutzen. Am alten Chor sind die Strebepfeiler erhöht, mit Kapitälen „Pöppelmannschen Geschmacks“ und mit Vasen geziert. Aus dem konkav geschweiften, gegliederten Kupferdach des Chores entwickelt sich der neue achteckige Turm[2]. Seine Umrißlinie wird mit Beginn des Holzwerks stark bewegt. Über einem zwiebelartigen Dache mit kecken Gaupen sitzt eine zierliche Laterne für die Uhrschellen. Je höher, um so mehr tritt der barocke Grundzug Schmidts hervor. Als Werk aus einem Gusse wächst der Turm aus dem Kirchgebäude heraus, von einer reichen Künstlerphantasie plastisch empfunden, ohne alles Trockne, Verstandesmäßige. Die natürliche perspektivische Wirkung würde die Schönheit des luftig durchbrochenen Aufbaues voll zur Geltung bringen, das Zwiebeldach noch elastischer machen und die Schwere und Stärke von Kegel und Kugel vermindern.

Bald nach der Beschießung Dresdens begann Schmidts Tätigkeit für die Kreuz- und Annenkirche[3]. Die Architektur der letzteren schließt sich den ersten Plänen zur Kreuzkirche an, nur ist sie einfacher. Die ganze Fassadenhöhe wird von einer Pilasterordnung beherrscht. Der Architrav ist rundbogig über die schlanken Kirchenfenster gezogen und schmäler als sonst. Die Rundbogentüren liegen auf Mauerstreifen, die mit seitlicher Anschweifung einfache Stichbogenverdachungen über Reliefs tragen. Die Fenster darüber haben Sohlbänke mit Konsolen und kräftig modellierten Fruchtgehängen.

Überaus reizvoll ist der Turm. Die Motive sind wieder der Kreuzkirche entnommen. Die prächtige Spitze ist eine Kombination von Kegel und Zwiebel der Großenhainer Kirche. Ihre Umriß­linie ist klarer und dominierender wie beim Kreuzturm, und dabei verwandt mit der Silhouette der Eckaufbauten an der Frauenkirche. Die Gesamthöhe wird von dem ausgeführten nur um Knopf und Kreuz übertroffen und beträgt genau das Dreifache der Hauptsimshöhe. Mit dem Großenhainer Turm kann sich der Plan zur Annenkirche an jugendlicher Frische und Lebendigkeit nicht messen. Dagegen eignet ihm eine Abklärung der Formen, eine größere Sicherheit in der Verteilung und Gliederung der Massen und eine glückliche Abwägung der Verhältnisse.

Das Barock der drei großen Kirchenbauten Schmidts schließt sich bei aller Selbständigkeit im einzelnen der späteren Kunst Bährs an. Es ist zwar maßvoller in der Art der Verwendung architektonischer Glieder, aber doch im ganzen reicher an Formen. Die Fenster erhalten mehr Schmuck.

Ohne Sockelgeschoß beherrschen die Ordnungen mit vollem Gebälk die ganze Fassadenhöhe. Zweifellos


  1. Die Baupläne sind in der Königl. Bibliothek unter Hist. Sax. H. Nr. 1504, ein Grundriß in der Sammlung für Baukunst. Die Bauakten im Ratsarchiv sind verbrannt. Im Pfarrarchiv sind Akten nicht erhalten.
    Das Brandunglück hatte ein Eingreifen des Staates und Erlaß eines Ortsbaureglements zur Folge. Auch um den Kirchenbau kümmerte sich der Oberlandbaumeister Knöffel. Ein an Schmidts Plan sich anlehnender Grundriß (Königl. Bibliothek Hist. Sax. H. Nr. 1505 II) zeigt ganz seine Hand. Massive Treppen und Erweiterung des Orgelchores bedeuteten Verbesserungen des Schmidtschen Planes, die aber nicht zur Ausführung kamen. Daß Knöffel und nicht etwa der zuständige Accisbaudirektor Naumann die Hand im Spiel hatte, geht hervor aus einer Notiz auf dem Riß in der Sammlung für Baukunst „J. Ch. Knöffel 24. Aug. 1745“ und aus einem Aufsatz im Dresdner Stadt- und Landboten 1832 I „Sie ist nach Riß und Angabe des vormals berühmten Oberlandbaumeister Knifel erbaut“.
  2. Der alte Turm, an der Stelle der jetzigen Orgel, war eine Woche nach dem Brand eingestürzt. Der Schmidtsche Turm wurde nicht ausgeführt, sondern blieb, nur um die Türmerwohnung übers Kirchendach herausgehoben, unter einer Kuppel liegen. 1773 wurden Anschläge für den Weiterbau nach Plänen Lockes gemacht, doch erfolgte die Ausführung erst 1802 zum Teil nach Lockes Plänen. Diese in der Königl. Bibliothek Hist. Sax. H. Nr. 1505 I und 1506.
  3. Die Schmidtschen Pläne befinden sich im Pfarrarchiv.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/27&oldid=- (Version vom 22.3.2024)