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Jahre fand er in dem späteren Festungsbaumeister Lohse[1], der 1770 im Alter von 30 Jahren, nachdem er bis dahin die Akademie besucht hatte, bei ihm eintrat, um sich im praktischen Teil der Baukunst auszubilden.

Schmidts Bauten und ihre Formen.

Schmidts künstlerische Eigenart ist nur wenig bekannt. Schumann war der erste, der ihn der unverdienten Vergessenheit entriß. Gurlitt (B. u. R. Deutschl. S. 404) hat ihn in die Geschichte der Baukunst aufgenommen und als protestantischen Kirchenbaumeister gewürdigt. Seine vorbildliche Tätigkeit auf diesem Gebiet ist später zu besprechen. Eine Analyse der stilistischen Eigenart Schmidts ist nötig, da Stilfragen in den Kämpfen um die Kreuzkirchenpläne eine Hauptrolle spielen.

Seine künstlerische Ausbildung hat Schmidt unter seinem 40 Jahre älteren Vetter Bähr durchgemacht. Bähr war der Vertreter eines Barock, das süddeutschen Formen nahe steht. Bürgerliche Bauten von ihm sind nur wenige beglaubigt. Sein Name tritt zurück gegen den seines ihm künstlerisch verwandten Altersgenossen Pöppelmann. Die Wohngebäude im „Pöppelmannschen Geschmack“ dürfte nicht der vielbeschäftigte hohe Baubeamte des Fürsten, sondern der auf Privattätigkeit angewiesene bürgerliche Architekt entworfen haben.

Schmidt hat in seinen barocken Formen zweifellos die stärksten Eindrücke nicht von Pöppelmann, sondern von Bähr erhalten. Ebenso wird in der letzten Zeit Bährs die Risseanfertigung für Privat­bauten ihm zugefallen sein. Eine Reihe von Gebäuden, die von ihm später verwendete Formen zeigen,

Unterschrift Schmidts vom Jahre 1740 auf der Rückseite der Pläne zum Hirsch.

werden wir daher ohne Gefahr den Bährschen[2] zuzählen können. Wie weit Schmidts eigene Individualität dabei mitgesprochen, muß eine offene Frage bleiben.

Als Schmidts Aufnahmefähigkeit für Formen begann, Ende der zwanziger Jahre des 18. Jahr­hunderts, hatte die überschäumende Barockkunst in Dresden bereits ihren Höhepunkt überschritten. In Bährs eigenem Schaffen trat eine Formenmäßigung ein. Die architektonischen Linien sind an der Frauenkirche bereits einfacher und ernster als an seinen Palaisbauten (1711) und seinem eigenen Haus Ecke Seestraße.

Die ersten Anfänge einer strengeren Stilauffassung machten sich in Dresden geltend. Der Überschwang und die Überfülle der Formen fiel weg. Die Verdachungen wurden noch immer kühn geschwungen, wurden aber nicht mehr unterbrochen und aufgerollt. Das Hinauswuchern des Ornaments über seinen Rahmen verlor an Kraft und beschränkte sich auf ein agraffenartiges Umfassen der Gliederungen. Mit der Ein- und Unterordnung des Ornaments unter die architektonischen Linien ging eine Verfeinerung der Formen Hand in Hand. Die Pilaster wurden selbst im Palaisbau ver­drängt durch Lisenen. Schlichte Füllungen und Blenden traten auf. Vor allem aber begann eine

Konzentration des Schmuckes um besonders betonte Punkte der Fassaden. Die einzelnen Teile,


  1. Lohse hatte nach Keller (Nachrichten usw. 1788) „Gelegenheit, größere und kleinere Gebäude auszuführen“. Sein eigenes Haus in der Moritzstraße fiel dem Durchbruch der König-Johannstraße zum Opfer. In seinen Werken zeigt sich Lohse als Akademieschüler. Ein Einfluß Schmidts ist nicht nachweisbar. Von Lohse stammen eine Anzahl Kopien in der Kupferstichsammlung F. A. II.
  2. Eine zusammengehörige Gruppe von Gebäuden dieser Art sind folgende: An der Frauenkirche 14 und 16, das abgebrochene Charonsche Haus, Rampische Straße 3 und 5, 23, 25, 29, 3l. Anmutige Drei- und Vierfensterhäuser. Die verschiedene Feinheit der Details könnte vom ausführenden Stukkateur oder Bildhauer abhängen. Abbildungen in Gurlitt, Kunstd. Dresd., und Dietrich.
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Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/24&oldid=- (Version vom 16.5.2024)