Seite:Alfred Barth Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche.pdf/125

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Bändern“ an Bormann abgegeben habe, und zwar 3 Grundrisse, 2 Fassaden, 1 Längsschnitt, 2 Quer­schnitte, ferner 1 Lageplan (vergl. Abb. S. 7), 1 „Zeichnung in größerem Maßstab vom alten Turm vorm Bombardement“ (jetzt im Ratsarchiv) und 1 Erläuterungsschrift. Zum Beweis legte er seine Bleistiftkopien bei und bat um ein Honorar. Lockes Angaben wurden von Bormann bestätigt. Zur Approbation waren die Risse nicht eingereicht worden, darum fehlte in den Akten jede Notiz, auch waren sie 1785 nicht mehr in Ratsbesitz. Erhalten sind sie uns aber, die Originale in der Kupfer­stichsammlung F. A. II.[1], die sauberen Bleikopien in der Sammlung für Baukunst.

Lockes Plan setzt im Gegensatz zum Schmidtschen die Abtragung des alten Turmes voraus. Er hält fest an den Umfassungen der alten Halle, die er durch je 7 Längsarkaden dreischiffig gliedert. Das Mittelschiff erhebt sich über die seitlichen um eine niedrige, lichtspendende, in Blenden gegliederte Attique. Übereck sind Treppentürmchen angelegt, die einen schlanken Hauptturm, an der Ostseite einen tiefen Chor flankieren, in dem der Nossenische Altar der alten Kirche wieder verwendet ist. Ein an­schließender zweigeschossiger Rundbau in der Achse dient unten als Sakristei. Darüber ist eine Art Taufkapelle mit durchbrochener Innenkuppel. Altarraum und Kuppelbau entsprechen der Chorgrund­fläche der alten Kirche. Kleine Seitenräumchen füllen die Zwickel aus. Eine römische Ordnung umzieht die Bauteile, die alle ihre eigene Dachausbildung haben. Besonders reizvoll ist der rein dekorative Aufbau der Treppenhäuser. Eine harmonische Zusammenwirkung der einzelnen Teile, ein Zusammen­schluß unter eine künstlerische Idee, wie bei der Frauen- und Hofkirche, fehlt gänzlich. Die dekorative Ausstattung führt uns in die letzte Zeit des Dresdner Rokoko Knöffelscher Schule. Säulen und Pilaster treten wieder stärker hervor. Im Innern zieht sich nur das Kranzgesims als Gurt um die drei Saal­wände. Die anderen Glieder des Gebälkes bilden Kröpfe über den Pilastern der Schäfte. Die Arkaden enden erst in Frieshöhe und sind mit Muscheln und seitlicher Blumenschnur geziert, ähnlich die Ober­fenster. Die Mittelarkade ist mit Engelsköpfen in strahlendurchbrochenen Wolken geschmückt. Die Laibungen vom Triumphbogen zeigen bereits Gehänge mit Emblemen, die Eckzwickel des Saalgewölbes noch Rokokorahmenwerk mit naturalistischen Blumenranken. Die Orgel befindet sich auf einer frei in den Saal eingebauten Empore, die Kanzel am Chorbogen. Betstubengeschoß und zwei Emporen von geringer Tiefe umgeben den schlanken Mittelraum von nur 13 m Breite und 24 m Höhe. Der Abstand der starken Pfeiler beträgt 3,8 m. Der Geistliche wird nur auf wenigen Emporenplätzen sichtbar. Trotz der starken Pfeiler ist das Mittelgewölbe kaum stabil. Auch die Treppenaufbauten sind nicht hinreichend abgefangen. Längs- und Querschnitt differieren. Der Anschluß des Gewölbes an die Schmalseiten ist ungelöst.

Der Turm ist zur Hälfte vor die Front vorgezogen und besitzt vier elliptische Stockwerke. Frei­stehende Säulenpaare in der Diagonale rücken parallel zu einem mittleren Radius nach innen, der mit der längeren Achse einen 45 ° Winkel bildet. Die Säulenpaare stehen also in den Diagonalen von Halbkreisen, die durch ein Zwischenstück getrennt sind. Ihre Abstände bleiben in allen Geschossen die gleichen. Im vierten ist nur je eine Ecksäule auf dem mittleren Radius aufgestellt, das Prinzip „Schaft auf Schaft“ durchbrochen. Darüber folgt ein nur durch Ecklisenen gegliedertes flaches Rechteckgeschoß mit quadratischer Haube, Laterne und schlanker Zwiebel. Die Verjüngung des Turmes ist gering und in das obere säulenlose Dritteil verlegt. Vermittelnde Postamente fehlen. Die Höhe ist mit 96 m die des alten Kreuzturmes, die Basisbreite ist etwa halb so groß wie dort, nur 14 m (gegen 18 m bei der Hofkirche, 17 m bei Exner). Dem Turme fehlt die große monumentale Wirkung der Chiaverischen Säulengeschosse infolge des starken Hervortretens andersartiger Teile, doch ist er als ein plastisches Werk empfunden. Geschickt ist die übergroße Schlankheit durch die Ecktürmchen gemildert, die Gesamtwirkung aber bereichert. Anregung dürfte die Kirche St. Agnese gegeben haben, deren drittes kreis­rundes Turmgeschoß auch die gleiche Säulenanordnung zeigt. Nur dienen dort die höheren Ecktürme zur Steigerung der Kuppelwirkung. Nach dem Brande der Kreuzkirche 1897 wurde von Lossow und Viehweger ein ganz ähnlicher Gedanke vorgeschlagen (Abb. S. 16), aber abgelehnt.

Samuel Locke ist 1710 in Moritzburg geboren. Seine erste Ausbildung fand er unter Longuelune,


  1. Zu vergl. Nr. 98 487, 98 488, 98 563 flg.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/125&oldid=- (Version vom 23.4.2024)