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das Innere mehrenteils gotisch (d. i. barock) einzurichten und das Äußere durch ein gebrochenes Dach zu verunstalten. Exners Profile seien mit weit minder kleinen Zieraten beschwert. „Schon 1764 hat Hagedorn erinnert, daß die Ausführung der Kreuzkirche nach Schmidts Plan zu einer Zeit, wo soviel auf die Aufnahme des guten Geschmackes in den Künsten verwendet werde, mit dieser Absicht offenbar streiten würde.“ „Damit die Sache endlich einmal in Ordnung komme“, solle dem Rat die Wegreißung der Pfeiler anbefohlen werden.

Prinz Xaver entschied dem Ferberschen Vorschlag gemäß und approbierte die Exnerschen Innenrisse mit starken Pfeilern und Attika. Lediglich das Beste des Baues ein für allemal intendierend, hoffe er auf keinen weiteren Anstand und würde es gnädigst gern sehen, „daß die nunmehr eingeleitete Sache vom Rat, ohne daß es weiterer Verordnung bedürfe, nach unserer zu ihm hegenden Zuversicht ins Werk gerichtet werde“. An der Stellung Exners zum Rate wurde nichts geändert. Dieser durfte ohne jenen keine Entscheidung treffen. Exner behielt also die Oberleitung, nicht bloß die baupolizeiliche Kontrolle des Baues, obwohl er seinen Gehalt vom Staate bezog. Während er aus der Kirchenkasse 800 Taler erhalten sollte, wurden jetzt aus Staatsfonds 300 Taler für genügend gehalten.

Die Oberbaukommission blieb diesmal bei der Vorbereitung für die Resolution ausgeschlossen. Die Exnerschen Pläne in ihrer „neuen Ausarbeitung“ hatten ihr nicht vorgelegen. Die Angabe Exners über die Kosten der Veränderung (an die 9000 Taler) waren von ihr nicht kontrolliert, auch von Exner nicht durch einen Anschlag oder Überschlag begründet worden. Ob sie sich auf sämtliche Mehrkosten des Exnerschen Planes mit seinen stärkeren Gründungspfeilern und Obermauern, Kupfer­dach u. s. f. bezogen oder nur auf Wegreißung der Schmidtschen Pfeiler, wurde nicht klar gesagt. Exner konnte nur das letztere, Ferber und Prinz Xaver das erstere annehmen. In den approbierten Innenplänen ist nicht angegeben, wie die Decke der Kirche gedacht war, ob als Gewölbe oder als Holzdecke. Xaver wünschte Gewölbe, Ferber hatte schon am 27. Februar bei dem Vorschlag bez. Genehmigung der Exnerschen Profile mit starken Pfeilern hinzugefügt: „jedoch mit einer geschalten Decke“. An­scheinend wollte Exner die Verantwortung für die Wölbung nicht übernehmen, nachdem seine Pfeiler aus ästhetischen als auch aus statischen Gründen aber, um des Gewölbes willen, approbiert waren. Die Exnersche Vergleichsskizze (Abbildung S. 93) ist für die Beurteilung völlig wertlos, einmal weil in den statischen Fragen der bloße Augenschein nicht genügt. Weiter ist irreführend, daß nur Ansichts­flächen, nicht aber Stärken angegeben sind. Die Schmidtschen Pfeiler haben in der Tiefe etwa die doppelte, die Exnerschen nur die anderthalbfache Stärke der zugehörigen Attique.

Prinz Xaver wird von den Historikern[1] als ein offener und ehrlicher Charakter geschildert. Die Geschichte des Kreuzkirchenbaues widerspricht dem nicht. Er gilt aber auch als hartnäckig, despotisch und unselbständig. Sein Verhalten hier bestätigt es. Sein Urteil oder Vorurteil über Schmidt war ebenso unerschütterlich wie sein blindes Vertrauen zu Exner. Daß er nicht, um Weiterungen auszuweichen, dem Kompromißvorschlag des gebrochenen Daches zustimmte, sondern nach der besten Lösung suchte, spricht für ihn. Aber er identifizierte sich hierbei vollständig mit Exner, der doch Partei im Streite war. Weder durchschaute er das ehrgeizige Strebertum Exners, noch die Unselbständigkeit der Oberbaukommission. Als diese ganz versagte, schaltete er sie glatt aus, ohne dafür unbefangene Sachverständige heranzuziehen oder die Organisationsmängel zu erkennen und zu beseitigen. Ohne eigene Sachkenntnis zwang er dem Rat wider dessen Willen und gegen die Ansicht der Verwaltungs­instanzen einen teureren Plan auf[2], und schränkte Exners Direktion nicht auf das gebührende Maß ein. Als Regent eines Staates mit bereits ausgebildetem Behördenwesen entschied er in einer solch strittigen Sache, die mit dem Staatsinteresse nichts zu tun hatte, selbst in unterster und oberster In­stanz. Die Entscheidung Prinz Xavers über die Schmidtschen Pfeiler war eine der letzten seiner Regentschaft überhaupt. Bereits 1766 war er mit dem Landtag in Differenzen geraten. Widerstand

bei den Ministern hatte ihn veranlaßt, an Stelle der Ministerkonferenz die Kabinettsregierung einzuführen.


  1. Bötticher und Flathe, Geschichte des Kurstaates und Königreichs Sachsen, Gotha 1870, II. S. 554.
  2. August der Starke, dem gewiß an der Schönheit seiner Residenz lag, hatte dem Frauenkirchenbau Interesse gewidmet, sich aber vom Streit der Meinungen ferngehalten.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Barth: Zur Baugeschichte der Dresdner Kreuzkirche. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1907, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Alfred_Barth_Zur_Baugeschichte_der_Dresdner_Kreuzkirche.pdf/102&oldid=- (Version vom 16.4.2024)