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gewesen sei, lässt sich nicht ermitteln, unstreitig aber verdankt es, wie auch schon sein Name anzeigt, seinen Ursprung der ehemals auch in hiesiger Gegend heimischen Nation der Sorben-Wenden und diente später nach dem Eindringen der deutschen Eroberer unter dem deutschen König Heinrich dem Finkler mit den übrigen in dieser Gegend gelegenen Burgen und Schlössern zu Wiedersberg, Magwitz, Stein, Dobeneck, Voigtsberg u. s. w. als eine Zweig- und Grenzveste ebenso gegen die unterjochten Bewohner des Landes als gegen von aussen andrängende Feinde. Wer seine ersten Besitzer in dieser Zeit gewesen, ist ebenfalls nicht zu ermitteln, doch nicht ohne Grund vermuthet man in demselben Voigtliche Vasallen und namentlich ward frühzeitig schon in verschiedenen alten Urkunden das edle Geschlecht der Sacke, denen der grösste Theil dieser ganzen Gegend früher zugehörte und deshalb das „Sacksländchen“ genannt ward, als Besitzer und Inhaber des Schlosses Türbel mit „oberen und niederen Bergk“ angegeben, und nur so viel ist gewiss, dass die früheren Besitzer der Veste Türbel zu den angesehensten Vasallen des Voigtlandes zählten. Als der letzte Besitzer von Türbel und Pirk aus diesem Geschlechte wird Nikol Sack im Jahre 1521 erwähnt, der sich bei der Ausbreitung der Reformation im Voigtlande sehr thätig bewiess, deshalb mit Luthern im Briefwechsel stand, aber leider das Unglück hatte, dass sein Rittersitz Türbel dabei von den rebellischen Bauern im Bauernkriege 1525 mit niedergebrannt und verwüstet wurde. Von dieser Zeit an scheint man die Brandstätte nicht wieder bebaut, vielmehr den Sitz der zu diesem Schlosse gehörigen Oeconomiewirthschaft der Bequemlichkeit halber in das nahe Dörfchen Pirk verlegt, beide daselbst befindlichen Vorwerke in Eins verschmolzen und daraus sowie aus den zum Burgstadel Türbel eigentlich gehörigen Grundstücken ein Ganzes und zwar denjenigen Gütercomplex gebildet zu haben, wie er sich dermalen noch, jedoch mit Ausnahme des Eichelbergs, der Angerleuten und des Fischerholzes, welche damals zum Schlosse Voigtsberg gehörten und erst am 10. October 1616, von denen von Reitzenstein dazu erkauft wurden, vorfindet. Das edle Geschlecht der Sacke erlosch jedoch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Absterben Nickol Sacks des Jüngeren, worauf ein gewisser Christoph von Beulwitz diese Güter käuflich an sich brachte, der auch damit von dem Churfürsten von Sachsen beliehen ward und bei dessen Familie bis zu Ende des 16. Jahrhunderts auch diese Besitzung geblieben ist. Hierauf brachte Christoph Carl von Reitzenstein dieses Gut käuflich an sich, erweiterte dasselbe durch den obgenannten theilweisen Ankauf des Eichelberges (ein Theil kam an Taltiz) der Angerleuten und des Fischerholzes im Jahre 1616 und vererbte es bei seinem Tode auf seine Söhne Georg Peter, Veit Siegmund, Hanns Friedrich und Adam Ernst von Reitzenstein, die es denn auch am 9. September 1643 zu Dresden vom damaligen Churfürsten Johann Georg I. als ein rechtes Mannlehn sämmtlich in Lehn erhielten, wobei Carl Siegmund und Joseph Adam die Stolzen von Simsdorf als Mitbelehnte auftraten. Der gemeinschaftliche Besitz dieses Rittergutes, das durch den dreissigjährigen Krieg sehr herabgekommen und ruinirt worden war, scheint von Seiten der Gebrüder von Reitzenstein nicht von langer Dauer gewesen zu sein; denn bald darauf traten die der fränkischen Ritterschaft angehörigen Grafen von Tettenbach als Besitzer von Türbel mit Pirk und Geilsdorf auf, denen jedoch schon gegen das Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Herren von Naundorf auf Geilsdorf folgten, welche aber eben so wenig wie ihre Vorgänger sich dauernd im Besitze dieses Schlosses zu erhalten vermochten, sich vielmehr genöthigt sahen, das Rittergut Türbel mit Pirk nebst allen Zubehörungen und mit allen Rechten und Gerechtigkeiten 1748 an einen bürgerlichen Privatmann Herrn Johann Friedrich Hüttner käuflich zu überlassen, bei dessen Familie und Nachkommen es auch seit dieser Zeit in ruhigem und ungestörtem Besitze geblieben ist. Die beiden dermaligen Besitzer, die Urenkel Johann Friedrich Hüttners, des Begründers dieser Familie, sind die Gevettern Hüttner, Herr Wilhelm und Herr Franz Eduard Hüttner, und es ist sichere Hoffnung vorhanden, dass dieses alte Patriziergeschlecht, das nun seit mehr als hundert Jahren auf diesem Gute sesshaft und heimisch ist und so lange hin in Segen gewaltet und geblüht hat, dessen Name im Lande weit und breit einen gar guten Klang hat, auch für die Zukunft in diesem schönen Besitzthume schalten und walten werde, was um so mehr zu wünschen, als die dermaligen Herren Besitzer stets mit väterlicher Liberalität und in patriarchalischer Weise für das Wohl nicht nur ihrer Untergebenen gesorgt haben, sondern überall, wo es galt, Gutes zu schaffen und zu unterstützen, eine offene Hand hatten und auch gewiss in Zukunft haben werden!

Anlangend die klimatischen Verhältnisse, so ist zu bemerken, dass das Rittergut Pirk, wie es schon seine Lage mit sich bringt, fast von allen im Voigtlande vorkommenden Witterungseinflüssen betroffen wird. Denn während in den tiefen Thälern der Elster und der Feile oft schon lange der Frühling eingezogen ist und Wohnung gefunden hat, deckt und umhüllt das Haupt des Eichelberges noch oft Schnee, Eis und Nebel, und die noch darüber hinaus gelegenen Besitzungen, wie der grosse und kleine Kulm, das Dohnenholz, der Bramacker zwischen Bösenbrunn und Bobenneukirchen haben die Witterung mit den an sie grenzenden Orten und Gegenden gemein. Im Ganzen genommen aber gehört die Gegend von Türbel und Pirk zu den fruchtbaren und gesegneteren des Voigtlandes, und in dem hinter dem herrschaftlichen Gehöfte gelegenen schönen und prächtigen Garten, der seines Gleichen im Voigtlande nur wenige finden dürfte, gedeihen nicht nur alle edleren und feineren Blumen, Gemüse und Gewächse des heimathlichen Bodens, sondern auch das Land, wo die Citronen und Orangen blühen, findet hier seine Vertretung in freudig gedeihenden und lieblich duftenden Bäumen, und in ihrem kühlenden, erquickenden Schatten, den sie während der Sommermonate in der freien Natur gegen drückende Schwüle und Sommerhitze darbieten, gedenkt man unwillkührlich des gemüthlichen Dichters, der in seinem „Spaziergange nach Syracus“ uns so Herrliches und Schönes von den Orangenhainen und Citronenwäldern Welschlands und Siciliens vorplaudert!

Uebergehend endlich zu den statistischen und kirchlichen Verhältnissen, so will man nur kurz bemerken, dass das zum Rittergute Pirk gehörige Areal, welches 526 Acker 175 □ Ruthen beträgt, mit 600316 Steuereinheiten belegt ist, dass bei demselben eine Branntweinbrennerei in Betrieb erhalten wird, und dass die dasige Bierbrauerei, die jedoch dermalen nur zu Bereitung des sogenannten „Haustrankes“ benutzt wird, eins der besten Getränke dieser Art im Voigtlande liefert, wie dies von jeher und männiglich bekannt ist. – Die Rindviehzucht, in echt voigtländischer Race bestehend, ist in vorzüglichem Zustande und dürfte in der Regel an 70 bis 80 Stück betragen; ein Gleiches

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/81&oldid=- (Version vom 22.12.2016)