Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V.djvu/79

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Pirk.


Fast an der westlichen Spitze des Königlich Sächsischen Voigtlandes, 2 Stunden von der Hauptstadt des Voigtlandes, von Plauen, 1½ Stunde von der Stadt Oelsnitz und 4 Stunden von der Curia Variscorum im Regnitzlande, von der Stadt Hof entfernt, in einem engen, nach Osten hin in das Elsterthal ausmündenden im Westen sich aufwärts in mehrere kleine Wiesengründe und nach und nach sich verflachende Bergrücken auslaufenden Thale an dem grünenden Ufer der krystallhellen Feile, die hier bald sprudelnd und murmelnd, bald schäumend und tosend dem Hauptflusse des Voigtlandes, der Elster zueilt und mit ihr in ihrer Umarmung schwesterlich thalabwärts zieht, liegt an der Strasse von Plauen nach Hof das dermalen zum Amtsbezirk Voigtsberg gehörige, altschriftsässige frühere Mannlehn- jetzt allodificirte Rittergut Pirk, das sowohl hinsichtlich seiner wahrhaft schönen und romantischen Lage und Umfänglichkeit, seiner Ausdehnung, als auch der Fruchtbarkeit des Bodens und des dermaligen zeitgemässen Culturzustandes zu den ersten und schönsten und wohl auch gesegnetsten und besten Rittersitzen des Voigtlandes zu zählen ist. Hingezwängt in ein enges Thal, auf dessen südlicher Seite der Bergriese des westlichen Voigtlandes, der Eichelberg, mit seinem waldumwachsenen Haupte wohlgefällig auf die freundliche Schöpfung im Thale niedersieht, und für sie dem gegenüber in nördlicher Richtung über „dem Flau“ fast ebenso hoch ansteigende Haferpühl mit dem Hundsloch, dem Scharfenberg als Bruder und Schirmvoigt zu Schutz und Trutz gegen verheerende Stürme aus Westen und Norden die Hand darbietet, während gegen feindliche Wetter aus Osten die Schönecke die Schutz- und Scheidewand bildet, deshalb so genannt, weil sie die freundlichste und malerischste Fernsicht gewährt in das über Magwitz den alten Stein und Dobeneck nach Oelsnitz hin auflaufende Elsterthal, auf die Planschwitzer Höhen, in die erlenreichen Gründe des Triebelbachs und der Feile, sowie hinab zu der engen Thalschlucht, wo die zum Schlosse Pirk gehörige Mühle – ehemals auch die Klostermühle genannt – mit ihrem lebendigen Getriebe und Geklapper die stille Ruhe und Einsamkeit des hier scheinbar zu Ende gekommenen und mit Felsen und Wald verbarricadirten Elsterthales unterbricht, eine Erscheinung, die den aufmerksamen Beobachter der Natur, der in diesen zerrissenen Klüften und Schluchten, in diesen himmelanstrebenden Bergriesen, dem Eichelberge vor sich und in den engen und tiefen Thälern unter sich die vulkanische Wirkung der Schöpfung der Vorzeit nicht verkennen kann, unwillkührlich zu der Annahme und Ueberzeugung führt, dass an dieser Gegend die Hand des Herrn eben so gewaltig und herrschend, als schaffend und segnend sich erwiesen hat, liegt das freundliche Schloss mit seinem Wirthschaftsgehöfte und dem dazu gehörigen Dörfchen, fast versteckt unter grünenden Linden und Eichen, und dem Wanderer wird eine um so grössere plötzliche Ueberraschung bei diesem Anblick je weniger er in diesem Versteck auf eine solche Erscheinung vorbereitet war. Die eigentlichen wahren Wirthschaftsgebäude des Rittergutes Pirk bilden ein regelmässiges Quadrat; auf der östlichen Seite steht das eigentliche Schloss oder Herrenhaus, ein vor ungefähr 60 Jahren im modernen Geschmacke wenn auch nicht im neuesten Style errichtetes Gebäude, und ihm gegenüber erhebt sich ein in neuerer Zeit, erst vor ohngefähr 20 Jahren errichtetes, sehr geschmackvolles Seitengebäude, welches ebenfalls eine prächtige herrschaftliche Wohnung bietet und dessen Souterrains und Nebenflügel zu Wirthschaftszwecken benutzt werden; die Stallungen und das Gesindehaus finden sich auf der nördlichen Seite, während die Fronte gegen Süden nach dem Eichelberg hin, durch die Scheunen, Schuppen und Brennereigebäude gebildet wird. Sämmtliche Wohngebäude sind mit Schiefer gedeckt und Blitzableitern versehen, und das Gehöfte bildet ein sich abgeschlossenes, mit zwei Thüren versehenes Ganzes und befriedigt das Auge eben so durch die natürliche Regelmässigkeit seiner Anlage, als auch durch die Zweckmässigkeit und Sauberkeit seiner Ausführung. Allein so ist es nicht immer hier gewesen. Denn blicken wir auf die Geschichte zurück, so finden wir, dass in den früheren Zeiten die Ehre eines Rittersitzes dem Dorfe Pirk nicht zu Theil ward, dass sich vielmehr hier früher bloss zwei Vorwerke – „oberen und niederen Bergk“ in alten Urkunden genannt – befanden, die mit der bereits erwähnten zum Gute gehörigen Mühle dem ehemaligen alten und berühmten Rittersitze Türbel angehörten, der sich bei dem nahen Dörfchen Türbel befand und auf dessen noch sichtbaren Ruinen noch heute zu Tage mehrere zum Rittergute Pirk gehörige Wirthschaftsgehäude, darunter die Schäferei mit Wohnung für den Schäfer und eine Scheune befindet. Der alte Rittersitz Türbel aber, das eigentliche Stammgut des jetzigen Pirker Besitzthums, war in den ältesten Zeiten eine der mächtigsten angesehensten Besitzungen des Voigtlandes, wie das schon die Menge der bei demselben ehemals zu Lehen gegangenen Besitzungen in der Umgegend ausser allen Zweifel setzen. Das ehemalige Schloss Türbel selbst, von dem jetzt nur noch einige wenige Rudera zu sehen sind, lag dem Gasthofe zum Rosenthal gegenüber auf einem hohen Felsvorsprung hart an der Elster, hatte, so viel man jetzt noch wahrnehmen kann, zwei tiefe Graben und mehrere Vorfestungswerke, die nach dem Gebrauche und dem Bedürfnisse der damaligen Zeit eingerichtet waren. Wer der Begründer dieses Schlosses

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/79&oldid=- (Version vom 22.12.2016)