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Mylau.


Auf einem gewaltigen Felsen, der sich inmitten des herrlichen Gölzschthales erhebt, thront die hochgethürmte Burg Mylau, ein altehrwürdiger Rittersitz, an dessen ungeheuren Mauern fast ein Jahrtausend vorüberzog. Die Veste war ursprünglich eine der Zwingburgen, welche die siegreichen Deutschen zur Niederhaltung des bezwungenen Sorbenvolkes erbauten, und die reizende Gegend, welche das Schloss umgab, verlieh demselben seinen Namen Myla, welches Wort so viel bedeutet wie „liebe Aue.“ Aber nicht blos die Burg und die bald nach ihr entstandene Stadt führte diesen Namen, sondern man verstand darunter den ganzen Distrikt, welchen die hochgelegene Veste beherrschte, – die Ortschaften Mylau, Reichenbach, Lengefeld, Brunn, Friesen, Cunsdorf, Lambzig. Ober- und Unterheinsdorf, Oberreichenbach, Schneidebach, Schönbach, Waldkirchen, Weissensand, Plohn, Rotschau und Wolfspfütze – bildeten die Herrschaft Mylau.

Ob der Felsen, auf welchem das Schloss Mylau steht, wirklich schon vor dessen Erbauung eine sorbische Burg trug, ist nicht historisch zu beweisen, ebenso wenig wie die Behauptung gegründet ist, dass die Herren von Milin, welche die Herrschaft bis in das dreizehnte Jahrhundert besassen, einem sorbischen edlen Geschlechte entsprossen und nach Unterjochung ihres Volkes zum Christenthume übergetreten seien. Die Herren von Milin sollen im elften Jahrhundert die Stadt unter dem Schlosse und in Reichenbach die Kirche zu St. Peter und Paul erbaut haben. Wie lange die Herren von Milin die Herrschaft Mylau besassen, ist nicht bekannt, doch wird schon in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts ein Voigt Heinrich von Gera auf Mylau erwähnt, worauf das Schloss mit Zubehör bis weit in das vierzehnte Jahrhundert hinauf, Eigenthum der Voigte von Plauen und Greiz blieb. Von den Herren von Milin wird der erste, Eberhard, in einer Schenkungsurkunde, die Heinrich, Voigt von Weida, im Jahre 1246 ausstellte, als Zeuge genannt. Leuthold von Milin war 1288 bei einen Vergleiche der Voigte Heinrich von Plauen und Heinrich von Weida zugegen, und Ritter Luthold von Milin 1302, Comthur des Deutschen Ordenshauses in Reichenbach. Bei einem Vergleiche, den drei Herren von Reuss im Jahre 1317 zu Altenburg abschlossen, befanden sich unter den Zeugen drei Edelleute des Geschlechts Milin, Marquard, Heinrich und Fritz, welche die dabei niedergeschriebene Urkunde als Lehnsleute der Reusse unterzeichneten. Daraus scheint hervorzugehen, dass die Miline von den mächtigen Voigten von Reuss zu einem Lehnsverhältniss gezwungen worden waren, und durch dieselben sogar späterhin von ihren Gütern vertrieben wurden. Petzold’s und Conrad’s von Milin gedenkt eine Urkunde von 1330, worin Heinrich der Kleine von Reuss dem Ordenshause zu Reichenbach den Zehnten von Plohn, einem zur Herrschaft Mylau gehörigen Reichslehn zusagt. Margarethe und Adelheid von Milin waren 1338 und 1340 Nonnen im Kloster Weida, und Katharina von Mylin 1379, sowie Elisabeth von Milin 1392 Priorinnen daselbst. Unter den Edelleuten, welche 1430 bei Erstürmung des Schlosses zu Plauen von den Hussiten niedergemacht wurden, befand sich auch ein Ritter Wilhelm von Milin, und endlich wird Heinz von Milin 1430 als Herr des Gutes Oberlosa bei Plauen genannt. Dieser Heinz scheint der Letzte seines Stammes gewesen zu sein.

Der Adel Deutschlands war es hauptsächlich, mit dessen Hülfe Kaiser Heinrich die slavischen Völkerschaften unterjochte, und die Edelleute wollten natürlich für ihre Dienste auch belohnt sein, deshalb gab ihnen der Kaiser bedeutende Strecken des eroberten Landes in Lehn, nebst einer Anzahl der unglücklichen Slaven, welche den neuen Herren als Leibeigene dienen mussten. Ueberall erhoben sich mit Thürmen und Gräben verwahrte feste Schlösser, auf welchen der Edelmann in stolzer Sicherheit die elenden Hörigen beherrschte. Diese waren an die Scholle, auf der sie lebten, gefesselt, und konnten nach Belieben von ihren Herren, denen sie frohnen und zinsen mussten, verkauft, verpfändet und verschenkt werden, woher die noch jetzt bisweilen vorkommenden verschiedenartigen und sich durchkreuzenden Gerichtsbarkeiten und Lehnsverhältnisse herrühren. Nur der Adel genoss damals persönliche Freiheit und Besitzthum, nur er war Herr und Gebieter im Lande, und willig fügten die unterjochten Slaven sich dem strengen Willen ihrer Grundherren, deren gewaltige Burgen sich dräuend über den niedrigen Erdhütten des Dörfchens erhoben.

Alles Land, das Kaiser Heinrich I. nicht dem Adel verlieh, wurde von kaiserlichen Voigten verwaltet, die ebenfalls zu ihrer Sicherheit Castelle erbauten und im Namen ihres Herrn Steuern erhoben, zu Gericht sassen und das ihnen anvertraute Gebiet vertheidigten. Im Voigtlande hausten dergleichen kaiserliche Statthalter auf den Schlössern Voigtsberg, Regnitzhof, Gera, Schleiz und Weida, doch gab es auch noch besondere Reichsdynastien, welche die Herren von Feilitzsch, Zedwitz, Kotzau und Andere unmittelbar vom Reiche zur Lehn trugen. Die Voigte wurden endlich so mächtig, dass sie sich wenig

     Voigtländischer Kreis, 2tes Heft od. 10. der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/16&oldid=- (Version vom 17.10.2016)