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1 Stunde oberhalb Rodersdorf an der Sächs.-Bayerschen Eisenbahn. Die herrschaftliche Wohnung und die Wirthschaftsgehäude sind von dem dermaligen Besitzer von Rodersdorf untern Theils Herrn Michaelis ganz neu und massiv aufgeführt und weit hin erblickt man diese freundliche Besitzung. Das Gut selbst war früher mehr Holzgut, ist aber jetzt durchgängig sehr nutzbar angelegt. Hier wird sehr schönes Getreide gebaut und die Wiesencultur ist eine vorzügliche zu nennen. Vom dermaligen Besitzer des Gutes ist auch ein sehr schöner, grosser Obst- und Gemüsegarten angelegt worden.

Die Kirche von Rodersdorf ist ebenfalls sehr alten Ursprungs, lange vor der Reformation war hier schon eine Parochie, welche in Zeiten des Pabstthumes vortreffliche Feldgüter hatte.

Wegen ihrer Entlegenheit vom Orte hat der im Jahre 1304 angestellt gewesene römisch-katholische Parochus, Laurentius Eilbel mit Zuziehung und Bewilligung des deutschen Hauses zu Plauen solche entlegene Feldgüter gegen einen jährlichen Erbzins von 5 Ngr. auf ewig vererbet und secularisirt, die noch heute, ob schon später weltliche Abgaben darauf geschlagen worden sind, seit Jahrhunderten im Erbe und Kauf vom Vater auf Sohn gegen 1600 Mtl. überlassen werden. Die Nachkommen der Teschnerschen Familie in Stein sind im Besitze dieser Güter.

Geschichtlich merkwürdig ist die Altarbekleidung der Kirche.

Die Hochreichsgräflich-Stubenbergische Familie hatte ein Feldaltargewand, welches der König Gustav Adolph von Schweden bei seinem Gottesdienste im Felde gebraucht und nachmals einem seiner vornehmsten Officiers zum Andenken geschenkt hat, von welchem es auf die obgedachte Hochreichsgräfliche Familie gekommen ist. Da diese die Kirche zu Rodersdorf mit einem würdigen Geschenke begnadigen wollte, fiel man auf dies vorhandene Denkmal des nordischen Helden. Es war aber auf einen nur mässigen Altar noch zu klein und deckte nur den vordersten Vorhang des Altars; deshalb lies man das kleine weise atlassene und mit schönen Figuren gestickte Gedecke, so wie es der König im Felde entweder über einen Zelttisch oder über ein paar Trommeln zum Gottesdienste mochte gebraucht haben mit dem Hochreichsgräflich-Stubenbergischen und Hochadelich-Reiboldschen Wappen mit Gold, Silber, Seide und ein paar hundert Stücken guter Perlen verschönern, mit einer angefügten, oben roth, damastenen Altardecke und durch Seitengehänge vergrössern und also zum völligen Ausputz des Altars der gedachten Kirche zurichten und ihr verehren. Das dazu gehörige Tüchlein, worauf die Agende gelegen, ist auch dazu gekommen. Es ist von weissem Damast und die Buchstaben G. A. R. S. (Gustavus Adolphus Rex Sueciae) sind verzogen, nebst den darüberstehenden drei schwedischen Kronen, mit grosser und erhabener Arbeit in Gold gestickt.

Rodersdorf hat schon, wie oben erwähnt worden ist, vor der Reformation eine eigne Parochie ausgemacht.

Churfürst Johann Friedrich liess nach dem Absterben Johann Weigelts, Frühmessners zu Kürbitz, im Jahre 1538 die Frühmesse oder Kaplanei zu Kürbitz, welche das heutige Filial Thossen war, aus gewissen Ursachen aufheben und hochgedachter Fürst schenkte dem damaligen Pfarrer zu Rodersdorf Erhardt Sollmann, die ganze Kaplanei, mit allen Einkünften, da sie ihm näher lag, als dem Pastor zu Kürbitz und machte auf Vorstellung Georg Rautens, Superintendenten zu Plauen, ein Filial von Rodersdorf daraus. Dem Pfarrer zu Kürbitz wurden die Feldgüter davon zu Theil.

Bei der Nennung des Filials von Rodersdorf, der Kirche zu Thossen können wir nicht umhin zu bemerken, dass dieses Dorf eine der ältesten Kirchen im Voigtlande hat.

Thossen liegt in dem Grunde eines Thals mitteninnen, ¼ Stunde von Rodersdorf. Es ist noch bis jetzt gegen Mittag und Abend mit Birken-, Buchen-, Tannen-, Fichten- und Kieferhainen eingefasst. Das Dorf war ehedessen und theils auch mit alten Linden, Landespen und Ilmen[WS 1] in der Nähe gleichsam umgeben und deswegen noch immer etwas schattigt.

Es gehet mitten durch das Dorf ein fliessendes Wasser, und nahe an der Kirche entspringt eine feine Quelle, von welcher die Einwohner sagen, dass sie unter der Kirche hervorquelle. Wahrscheinlich ist in dem alten Heidenthume der Gott Thor und die Göttin Hera hier angebetet worden. Der Ort selbst dankt seine Entstehung dem alten edlen Tosso oder Dosse. Man sieht noch jetzt unter dem obern Theil des Altars der Kirche dieses Ortes, und zwar in der Mitte, ein liegendes Männchen, welches ein Schild im goldenen Felde hält, in welchem sich zwei quer über einander gelegte schwarze Wurfpfeile befinden. Diese Wurfpfeile haben die edlen von Tosso in ihren frühern Wappen geführt, wovon sie auch ihren Namen hergeleitet haben mögen: denn Dossany heisst wendisch so viel als fassend, nämlich ein Gewehr, siegerisch, siegreich. Im 15ten Jahrhundert besass dieses Geschlecht die Güter Stöckigt, Steinsdorf, Erlbach und Wolbach im Voigtlande.

Die Einführung des Christenthums in dem Orte Thossen geschah ums Jahr 1237. Man leitet dies aus dem linken Flügel des Altars ab, auf welchem die heil. Elsbeth in der einen Hand eine Schüssel mit Obst hält, mit der andern einem vor ihr knieenden Bettler einen Brodstollen reicht. Diese Elsbeth, eine Tochter des Königs Andreas von Ungarn und die Gemahlin des Landgrafen von Hessen und Thüringen, ist erst im Jahre 1235, nachdem sie Wittwe geworden war, in die Zahl der Heiligen aufgenommen worden. Diese Heilige machte damals mit ihrer Canonisation und noch vorher mit dem Gerüchte ihres frommen Wandels in Thüringen und einem grossen Theile Deutschlands so viel Aufsehen, dass man sie mit grossem Eifer verehrte und in den neuen Tempeln aufstellte.

Neben dieser heiligen Jungfrau linker Hand des Altars steht ein Heiliger, der eine Anzahl Steine in beiden Händen hält und der den heiligen Stephanus vorstellen soll. Auf dem rechten Flügel des Altars steht die heilige Anna. Darunter stehen die Namen S. Anna, S. Elisabeth. Auf der geschnitzten Halskette der Jungfrau ist das bischöfliche Siegel von rothem Wachs von 4 Feldern. In dem oberen rechten befinden sich zwei kreuzweis über einander gelegte Bischoffsstäbe, sowie in dem untern linken und in dem obern linken und untern rechten ist ein Bischoff oder Heiliger abgedruckt. Ohne Zweifel ist es das Bischöflich Naumburgische oder Zeitzische Siegel, als unter welchem Bisthum das ganze Gebiet der Dobenau, wozu auch Thossen gehörte, stand. Diese Siegel waren das Zeichen der Weihe: denn auf keinem Altar durfte das Messamt gehalten

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ulmen?
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/152&oldid=- (Version vom 22.12.2016)