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seine Jurisdiction ausser der Stadt, und der Name eines Stadtvoigts ging auf den Vorsitzenden im Stadtgericht über, der aber unter dem Bürgermeister stand.

Das Schloss Osterstein benutzte man bald nicht mehr als Wohnung des Burggrafen oder Voigts, sondern es wurde bei Errichtung der einzelnen Aemter, von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1770, dahin ein solches gelegt, welches dann in ein Privathaus gelegt wurde, als man von 1775 den Osterstein in ein Zucht- und Arbeitshaus verwandelte.

Dieses Zucht- und Arbeitshaus wurde unter Direction des Oberconsistorial-Vice-Präsidentens Freiherrn von Hohenthal eingerichtet, und damals mit Unterbringung von 200 Züchtlingen eröffnet.

Im Jahre 1804 wurde ein 98 Ellen langes, östlich liegendes Seitengebäude aufgeführt, um die Zahl der vermehrten Züchtlinge unterzubringen. Auch das frühere Magazin wurde zur Anstalt gezogen. Die Vermehrung derselben steigerte sich von Jahr zu Jahr, bis endlich im Jahre 1833 insofern eine Veränderung vorging, als diese Anstalt in ein blosses Arbeitshaus umgeschaffen wurde, die männlichen und weiblichen Züchtlinge nach Waldheim kamen, wo schon 1829 die Geisteskranken nach Colditz versetzt worden waren.

An diesem Arbeitshaus auf Schloss Osterstein, sind seit dem Jahre 1833 ein Director, ein Hausverwalter, ein Hausprediger, ein Hausschreiber, ein Hausarzt, zwei Ober- und mehrere Unteraufseher.

Die Aufseher führen die Aufsicht über die Sträflinge in den einzelnen Facturen, wo verschiedene Arbeiten gefertigt werden, wogegen früher das Spinnen an der Tagesordnung war.

Von diesem Arbeitshause sind seit dem Erscheinen des neuen Criminalgesetzbuches auch einzelne Filiale entstanden, wie z. B. in Voigtsberg und in Brambach: Denn die Zahl der Sträflinge hat in neuester Zeit immer noch zugenommen, so dass dieselben nicht mehr alle in Zwickau untergebracht werden konnten.

Andere nennenswerthe Gebäude Zwickaus sind die beiden Provianthäuser, die Militairkaserne, das Steueramt, das Rathhaus, das Gewandhaus. Früher hielten in demselben die Tuchmacher-Innung und andere Handwerker feil, es wurden auch der sämmtlichen Bürgerschaft die landesherrlichen Mandate auf einem Saale publicirt.

Ferner ist das Kreis-Krankenhaus, das Appellationsgerichts-Gebäude besonders zu erwähnen.

Ausserdem hat Zwickau eine der schönsten Kirchen des Landes. Die Marienkirche dieser Stadt verdient des Beschauens von allen Fremden, die durch diese Stadt kommen.

Dann hat die Stadt viele andere grosse Privatgebäude und gemeinnützige Anstalten und durch den ergiebigen Kohlenbau wird Zwickau von Jahr zu Jahr grösser und reicher.

Zum Schlosse Osterstein gehörte bis zum Jahre 1549 eine Mühle, die Schlossmühle genannt, welche im gedachten Jahre durch Tausch an den Stadtrath kam, der sie aber später an Privatpersonen verkaufte. Ausserdem befinden sich im Orte noch 4 Mühlen. Die zwei Polir- und Schleifmühlen, welche besonders berühmt waren, da in ihnen die eisernen Harnische schön polirt wurden, sind seit 1634 ein Raub der Flammen geworden. Eine dritte ging im Jahre 1836 ein, und wurde zu einer Fabrik eingerichtet.

Die chemische Fabrik und zwei Wollspinnfahriken gehören ebenfalls zum Stadtbezirk.

Die Stadt hat 4 Jahrmärkte, zwei Wochen- und Getreidemärkte, auch zwei Wollmärkte im Jahre.

Der Rath hat 3 Freistellen in der Grimmaischen Fürstenschule zu vergeben, übt das Patronat über die Kirchen und Schulen der Stadt, sowie der Parochie St. Moritz, ingleichen über die Dörfer von Weissenborn und Marienthal.

Von Behörden sind in Zwickau die Kreisdirection, das Kreis-Appellationsgericht, das Justizamt, das Rentamt, die zweite Amtshauptmannschaft, das Steuer-Amt, der Stadtrath, das Bezirksgericht mit dem Gerichtsamte, sowie die Superintendentur, gegenwärtig auf 32 Parochien beschränkt.

An Gärten, Wiesen und Feldern ist die Umgebung der Stadt reich und bildet eine schöne fruchtbare Aue.

Die Stadtmauern sind grösstentheils abgetragen, die Stadtgräben in schöne anmuthige, fruchtbringende Gärten verwandelt.

Im Jahre 1697 hatte die Stadt 635 bewohnte Gebäude; im Jahre 1806 768 Häuser; 1830 schon 829; jetzt aber leben in 992 Häusern 16052 Einwohner.

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Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/321&oldid=- (Version vom 17.8.2017)