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eine grosse Zahl von den Arbeitern geht täglich nach der Stadt Chemnitz, um da ihren Unterhalt zu verdienen. Vorzüglich existiren viel Spinner und Drucker hier, die in der Stadt ihre Beschäftigung haben.

Neustadt mit Rittergut Höckericht ist nach St. Nicolaus zu Chemnitz gepfarrt, Beweis genug, dass solche vor der Trennung der Rabensteiner Herrschaft zu dem Bergkloster in Chemnitz gehört hat, da diese Kirche eine abhängige Kapelle von diesem Kloster gewesen ist.

Die Kapelle scheint früher an einem andern Platze nur gestanden zu haben und wie man vermuthet, in der Nähe des Dorfes Kappel, welches davon seinen Namen abgeleitet hat. Wo dieselbe jetzt steht, ist sie erst im Jahre 1487 erbaut worden.

Dagegen hat Neustadt seine Schule, an welche drei Lehrer arbeiten. Das Besetzungsrecht dieser Lehrerstellen steht dem jedesmaligen Besitzer des Rittergutes Höckericht zu.

Die Schule zu Neustadt ist erst im Jahre 1834 gegründet worden und besitzt ein schönes geräumiges Schulhaus.

Die dasige Gegend selbst anlangend, so ist solche, wie wir diess schon bei Neukirchen erwähnt haben, angenehm, schön und fruchtbar.

Alle mögliche Getreidesorten gedeihen hier und Obst ist ebenfalls schon nicht rar, sondern gut und fein zu nennen.

Am meisten trägt für des Landes Wohlfahrt, für das Gedeihen des Wohlstandes hiesiger Einwohner, die Industrie hiesiger Gegend bei.

Sind die Geschäfte von Chemnitz in Flor, kommen diese nicht in Stockung, so befinden sich alle Bewohner der Umgegend wohl und ein heiteres, anspruchsloses Leben ist dann aller Orten zu finden.

Stockt aber die Arbeit, liegen Fabriken und Maschinerie darnieder, so sieht man allüberall traurige, niedergeschlagene Mienen und nirgends Muth und Zuversicht.

Es giebt selten eine Gegend, wo so recht auf dem Antlitze des Einzelnen zu lesen ist, wie der Thermometer des Merkantilischen steht; darnach richtet sich die ganze hiesige Lebensart, darnach richtet sich Frohsinn und Betrübniss, darnach richtet sich das ganze sociale Leben hiesiger Gegend.

Man sieht daraus, dass gerade auch in einer solchen Gegend zur Wahrung der allgemein nützlichen Gewerbsthätigkeit alle Mittel angewendet werden müssen, um solche nicht zurückkommen zu lassen.

Die früheren Besitzer von Neukirchen und von Neustadt mit Höckericht haben diesen Umstand stets schon im Auge gehabt und zu würdigen gewusst, so dass die Nachkommen ihnen heute noch dafür Dank sagen müssen, weil gerade sie auf diese Weise für den dasigen Wohlstand, für die Forthülfe des Einzelnen gesorgt haben.

Segen allen diesen treuen, biedern Gerichtsherrn, die für Menschenwohl, für Menschenglück ihre Ruhe, ihr Vermögen opferten.

Auf der andern Seite kann man auch nicht behaupten, dass die hiesigen Bewohner etwa durch den Flor der Industrie verdorben und frivol geworden wären, auch darauf scheint das Vorbild ihrer Gerichtsherrschaften einen guten Eindruck gemacht zu haben.

Der religiöse Sinn ist hier für unsere Zeit noch ein guter zu nennen und Glaube und Liebe hält manches Band hier zusammen, was hier und da gerade die Vernachlässigung des Kirchengehens und der Zweifel an die bessere Menschheit gelockert und aufgelöst hat.

Möge nur Jeder der hiesigen Bewohner stets bedenken, dass man die sogenannten guten Zeiten brauchen muss und dass oft auf gute Jahre Zeiten der Noth und Entsagung kommen. Nur so kann Glück und Heil erwachsen.

Neustadt mit Höckericht gehört jetzt mit seinen um das Doppelte in kurzer Zeit gewachsenen Einwohnern von 400 auf 851, welche nur in 57 Häusern wohnen, zum Gerichtsamte Chemnitz.

M. G.     




Druck von Sturm und Koppe (A. Dennhardt) in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/308&oldid=- (Version vom 17.8.2017)