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von dem 6 Stunden weit entlegenen Dorfe Lichtenau bei Hundshübel im Obergebirge mit gutem Auge sehen.

Ohnweit des Chausseehauses soll nördlich in dem tiefen Thale das Raubschloss Rappendorf gestanden haben, eine Sage, die nicht aller Wahrscheinlichkeit entbehrt: denn nach den näheren Nachrichten hierüber, welche man in dem Altenburger Landesarchiv gefunden hat, haben im Jahre 1457, wo Marienthal dem Eisenberger Kloster gehörte, hier mehrere Hauser, zu Marienthal gehörig, gestanden, welche ein gewisser Richard von Rapp und Oswald von Rieth von dem Grafen Erwin von Gleichen und Grafen von Satzig gekauft und in Lehn erhalten haben. Von diesem Rapp kommt der Name Rappendorf. Es waren 4 Güter, 14 Lehen, 3 Aecker und 1 Garten in Marienthal. Auch sind in dieser Urkunde viele Besitzer von Aeckern und Wiesen namentlich aufgeführt und ihre jährlichen Abgaben an Geld und Getreide bezeichnet. Vor 180 Jahren sah man noch hervorragendes Gemäuer, jetzt befindet sich nur noch der sogenannte sonst sehr tiefe, aber von den dortigen Feldbesitzern nach und nach mehr ausgeschüttete böse Brunnen, von den Bauern wegen vermeintlicher Gespenstererscheinungen so genannt, hier in der Nähe des mit Bäumen überwachsenen Hügels, wo die Burg stand; der Brunnen enthält jetzt noch immer viel Wasser, in der Rundung umfasst er 36 Ellen und im Durchschnitt 18 Ellen. Mehrere Feld- und Waldbesitzer haben in dessen Nähe theils bei Feldbestellung, theils beim Holzfällen und Stockroden, Bruchsteine, Grundmauern, gezimmertes Holz, eiserne Haspen und Bänder u. d. m. gefunden – ein deutlicher Beweis, dass jene Urkunden wahr sprechen; jedoch hat man nirgends gefunden, ob diese Häuser, unter welchen auch eine stattliche Burg sich befand, in welcher jene Grafen ihren Sitz hatten, erst im 30jährigen Kriege oder schon früher zerstört wurden.

Nach einer alten anderen Urkunde ist wahrscheinlicher anzunehmen, dass das Schloss als Raubschloss vom Landgrafen Friedrich dem Gebissenen schon ums Jahr 1321 mit zerstört worden ist.

Marienthal hat ausserdem eine geräumige lichtvolle und schöne Kirche, welche vom Stadtrath zu Zwickau im Jahre 1721 erbaut worden ist.

Die Gebäude der Pfarrwohnung sind schon im Jahre 1713 restaurirt worden; aber noch in ziemlich gutem Zustande. Zum Pfarrgute gehören 46 Scheffel Aussaat Feld und dasselbe hat schöne futtereiche Wiesen.

Das Schulhaus ist ebenfalls gut und massiv und geräumig gebaut.

Ueber Kirche und Schule steht dem Stadtrath zu Zwickau das Collaturrecht seit dem Jahre 1440 zu.

Das Dorf bildet nur eine Gemeinde und ist keine Ortschaft hierher eingepfarrt.

Unter den Einwohnern giebt es eine ziemliche Anzahl Weber. Der Ackerbau ist in trockenen Jahren gedeihlicher, als in nassen.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so war das Jahr 1547 ein trauriges für Marienthal. Ein grosser Theil des Dorfes wurde zu jener Zeit von den nach Mühlberg ziehenden Truppen verbrannt. Nicht minder schrecklich war das Jahr 1634: Am 27. Oct. gedachten Jahres zündete Schönickel den Ort an, und 1636 wütheten die Polen und Tataren hier furchtbar.

Die Fluren von Marienthal reinen mit Zwickau, Lichtentanne, Brand, Weissenborn und sind meist von mässiger Güte.

Bemerkenswerth ist noch der erste evangelische Pfarrer, Nicolaus Hoffer, welcher im Jahre 1523 von einem Anhänger des Thomas Müntzer erstochen wurde, nachdem ersterer schon vorher im Jahre 1521 von mehreren Zwickauer Bürgern insultirt worden war.

Marienthal mit seinen 114 bewohnten Gebäuden und seinen 1076 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamt Zwickau.

M. G.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/297&oldid=- (Version vom 17.8.2017)