Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV.djvu/285

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Erbauer der Kirche, welche ehedem mit dem Schlosse durch einen Gang in Verbindung stand, ist ein gewisser Joh. Günther aus Zwietzschen, dessen Gedächtniss auf der Durchsicht des Thurmes eine Inschrift verewigt. Die Baukosten wurden theils aus dem Kirchenvermögen, theils durch den damaligen Gerichtsherrn Hans Heinrich von Weissenbach gedeckt. Der Orgel gegenüber befindet sich unter dem Thurme die herrschaftliche Kapelle und unter derselbe das gewölbte herrschaftliche Erbbegräbniss.

Von Epitaphien ist das in Stein gehauene, mit Wappen verzierte, des 1584 im October verstorbenen Wolf von Weissenbach und seiner ihm im April 1583 vorangegangenen Gemahlin Veronica, geb. von Metzsch zu bemerken: Es stellt einen geharnischten Ritter und 2 Fräuleins dar, welche den auferstandenen Heiland anbeten.

Uebrigens zeichnet sich die Kirche durch äusseres Ansehen und innere Simplicität vor manchen anderen Dorfkirchen aus.

Der Ort Thurm zählt mit Inbegriff des Rittergutes und seiner Nebengebäude, der Kirche, Pfarre, Schule über 130 Häuser mit 960 Einwohnern, die theils an beiden Seiten des Mülsenbaches angebaut sind, theils auch in zwei seitwärts nach Süden zu angelegten Reihen, welche mit dem Namen der Schneeberger und der Zwickauer Gasse benannt werden, stehen. Die meisten sind nur mit kleinen Gärten versehene Häuser, von denen viele auf Ritterguts Grund und Boden stehen. Das Uebrige sind Pferdegüter, Handgüter und Gartengüter. Ausserdem befindet sich im Orte ein zum Rittergute selbst gehöriger und die Brauerei enthaltender Gasthof.

An der Stelle der Papiermühle, ausser welcher es noch eine Mahl-, Oel- und Bretschneidemühle giebt, stand ehedem ein Eisenhammer, wovon der ansehnliche Hammerteich den Namen hat. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts gab es hier auch eine Kattun-, eine Stärkefabrik und eine Apotheke.

Die Waldungen der hiesigen Flur sind durch gute Forstwirthschaft, durch Saaten und Pflanzungen, sehr in die Höhe gebracht.

Zwei lange Lindenalleen zieren die beiden Fahrstrassen von Thurm südlich nach Zwickau und nördlich nach Glauchau zu.

In der dasigen Gegend, unweit Mülsen lieferten in den Jahren 1348 und 1402 die Herren von Schönburg in Familienstreitigkeiten 2 blutige Treffen.

Im Februar des Jahres 1760 fiel zwischen Oestreichern und Preussen in dasiger Gegend und zwar bei Obermülsen ein Treffen vor, wobei letztere einige 30 Mann verloren und deren Obrister Möllendorf von den Oestreichern geschlagen wurde. Auch am 9. April 1760 erfolgte wieder bei Niedermülsen eine Gefangennehmung von 110 Mann Preussen mit Inbegriff ihres Anführers des Hauptmann Freidaville und es wurden dabei von den Oesterreichern 1 Kanone nebst 80 Pferden, ingleichen 177 beladene Wagen nebst vielem Gelde erbeutet.

Ein trauriges Jahr war das Jahr 1772 für die hiesige Gegend. Viele Menschen mussten wegen der theuren Lebensmittel den Hungertod sterben.

Der Scheffel Korn hatte einen Preis von 20 bis 21 Fl. erreicht.

Freuen wir uns, dass bei den jetzigen Verkehrsmitteln, solches Unglück nie wieder über eine einzelne Gegend kommen kann.

M. G.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/285&oldid=- (Version vom 17.8.2017)