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Weissenborn.


Weissenborn liegt 1¼ Stunde südöstlich von Freiberg, berührt am niedern Ende das rechte Ufer der Mulde, welche es von Berthelsdorf trennt, an der Frauensteiner Strasse und erstreckt sich ⅜ Stunden lang in südöstlicher Richtung an der Süssenbach hinauf, anfangs in einem sehr flachen und auenähnlichen, in der Mitte in einem tiefern Grunde, zuletzt fast auf der freien Höhe von Süssenbach. Seinen Namen hat der Ort – der Sage nach – von einem unfern der Mulde vorhanden gewesenen Brunnen, welchem man Heilkräfte zuschrieb und bei welchem sich bisweilen eine weisse Frau habe sehen lassen.

Die Meereshöhe beträgt an der Mulde gegen 1000, am obern Ende gegen 1450 Pariser Fuss; das Klima ist schon merklich milder, als für das gegenüber auf der Höhe gelegene Berthelsdorf, und nicht nur der Flachs, sondern auch Hafer und Korn gerathen hier recht wohl. Die Gegend ist der Mulde entlang sehr abwechselnd, voll herrlicher Ansichten und überhaupt prächtig; entfernter vom Ufer wird sie eintönig und selbst zu gefälligen Aussichten, welche doch sonst die Höhen der Gegend gewähren, sind die von Weissenborn zu niedrig, denn schwerlich möchte ein Punct des Dorfgebietes über 1500 Fuss Meereshöhe haben.

Das Rittergut, welches viele Menschenalter hindurch, der Dorfchemnitzer Linie des von Hartitzschischen Geschlechts gehört hat, liegt seinen ansehnlichen Gebäuden nach dicht über der Kirche und gewährt von weitem einen guten Anblick, da mehrere Flügel neu und wohlgebaut sind. Das vor 100 Jahren erbaute Schloss war früher von einem Wall umgeben.

Gegen Westen liegt das Schloss eigentlich auf einem Hügel, und hier gewährt es in den Garten sowohl, als in die Gegend eine angenehme Aussicht.

Mit Weissenborn und Pretzschendorf wurde zuerst der Bürgermeister Hartitzsch zu Freiberg 1365 und dann der Bürgermeister Hans Hartitzsch, welcher sein Amt von 1385–1392 verwaltet hat, von den Markgrafen belehnt; Letzterer erhielt zugleich das Rittergut Lichtenberg, sowie vom Burggrafen zu Meissen, als Herrn von Frauenstein, die Lehn über Voigtsdorf und Helbigsdorf. Er war der letzte adliche Bürgermeister zu Freiberg. Vor den Hartitzschen war das Kloster Zelle im Besitze von Weissenborn, oder – nach damaligen Sprachgebrauche – von Wizenborne. Von dem Hartitzschischen Geschlechte acquirirte es der Ober-Hofmarschall und der wirkliche Geheime Rath, Karl Leopold Christoph von Reitzenstein, welcher ein altes baufälliges Gebäude bei dem Schlosse abtragen, auch den Wallgraben ausfüllen und dafür englische Anlagen von ziemlichen Umfange, welche durch die Umgebungen, durch den dabei befindlichen Mühlgraben und Teich doppelte Annehmlichkeiten erhalten, anlegen, das Schloss inwendig, nach Verhältniss der antiken Bauart desselben, prächtig einrichten und einen Altan, von welchem man eine sehr wohlgefällige Aussicht geniesst, bauen lies, überdies auch vor den ebenfalls meist neuen Wirthschaftsgebäuden einen grossen Blumen- und Gemüsegarten nebst Gewächshaus und Gärtnerwohnung, mit vielen Kosten neu angelegt hat. Eine besondere Zierde des Niederdorfes, eine Allee von mächtigen Linden, durch welche sonst ein Communicationsweg führte, ist zum Theil in diesen Garten aufgenommen worden. Das Rittergut ist in dieser Gegend eins der beträchtlichsten, seit 1835 Allodium und es gehört nicht nur die Mühle des Dorfes mit Schneide- und Oelmühle und ein daneben befindlicher grosser Teich mit einer Insel und eine Schmiede, sondern auch das beträchtliche Nebengut Süssenbach mit 1800 Scheffel tragbaren Landes und ebenfalls neu aufgeführten Wirthschaftsgebäuden dazu. Dasselbe liegt 5 Minuten über dem Dorfe Weissenborn an der Frauensteiner Strasse und ist ehedem ein Dorf gewesen, wovon nur noch ein Gasthof, eine Schmiede und ein paar Häuser vorhanden sind. Früher war Süssenbach nach Oberbobritzsch eingepfarrt, auf Verwendung des Oberhofmarschall von Reitzenstein, gehört es jetzt zur Kirche von Weissenborn. Von der Reitzenstein’schen Familie ist Weissenborn an den Grafen von Hohenthal gekommen. Der derzeitige Besitzer ist Graf Karl Julius Leopold von Hohenthal-Püchau, des Grafen und Sächs. Kammerherrn Karl Friedrich Anton Sohn. Dieser Familie haben wir in diesem Album bei der Beschreibung vom Schlosse Lauer ausführlicher gedacht.

Das Rittergut Weissenborn besitzt ausserdem eine bedeutende Feld- und Wiesenflur, starke Schäferei, (deren Gebäude nordöstlich nicht fern liegen), einige Teiche und ansehnliches Holz, besonders längs der Mulde.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/176&oldid=- (Version vom 11.6.2017)