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dem damaligen Pfarrer in Weissbach, M. Sinner, eine Stunde von Wildenfels, zwischen den Dörfern Weissbach und Hermsdorf oder Hermannsdorf, aufgefunden wurden, und jetzt in der gräflich Solms’schen Bibliothek zu Wildenfels aufbewahrt werden. Sie haben zu einem Monumente gehört, das einem Krieger zum Grabe diente, welcher hier im 11. Jahrhundert auf einem Zuge gegen die Sorben und Wenden fiel und einstweilen hier begraben wurde, um später von den Seinigen abgeholt zu werden, was indess unterblieb. Die Schieferplatten, die theils nicht vollständig, theils beschädigt sind, tragen die folgende Inschrift:

„Voer glabbe alla in ainen Got vade Vahan (hier folgen eine Krone, eine Geissel und ein Kreuz) diser hoge im tuszent and tri . . . nati Chrs. Da lait godsa hermin was of a man künglg anita vilil starn Amshabt and üm handa üm dar akogl haer um gumers din was dar boolbor. Daristam haldi laits tuai. Sgrab dar harmit ludot bottai. Dia hermundr barrte sundr fantan boolbor. Das awafab hargods. Das Gebad. Voder vnser du bist im Himel. Dein voill gescho...“

Nach einer Erklärung von J. G. Weiler soll diese Inschrift so zu übersetzen sein:

„Wir glauben Alle an einen Gott, Vater von (oder wegen) der Dornenkrone, der Geissel und des Kreuzes. Dieser Hügel ist im tausend und dritten (oder 13. oder 30.) Jahre nat. Christi. Da liegt Hermann welcher war ein königlicher Mann hienieden, viel (vortrefflich) regieret amtsschaft und umhanden darum er liegt am Ende des Eichhügels. Herr um deines Jammers willen war er wolgefahren. Der Stein enthält zwei Leute des Grabes in dessen Mitte sie gelegt wurden. Die Hermunduren (Kriegsmänner) wurden (sind) wohlgefahren (selig gestorben) auch ohne Mönchskutten.[1] Das war ihres Herrgottes wegen. Das Gebet. Vater unser u. s. w.“

Einige haben behauptet, dieser vornehme Krieger sei Hermann, Markgraf von Thüringen und Meissen, gewesen, indess soll nach angestellten Untersuchungen, die der Verein der sächsischen Alterthumsforscher angestellt hat, das Ganze nur eine Mystification sein, obgleich sich nur schwer errathen liesse, von wem sie ausgegangen und zu welchem Zwecke sie veranstaltet sein sollte.

Das Schlossgebäude besteht aus 2 Abtheilungen, deren jede ihren besondern Hof hat und durch die Bauart die Zeit verräth, aus der sie stammt. Die eine hat die antiken eckigen Formen des Mittelalters, die andere die Zierlichkeit und Leichtigkeit des modernen Geschmacks.

Von der Stadt aus führt eine lange Auffahrt zu dem vordern neuern Schlosse, in welchem sich die gräflichen Zimmer, die Kanzlei und die Bibliothek befinden.

Die hintere, ältere, Abtheilung enthält die Brauerei, die Brennerei und einen alten, 50 Ellen hohen Thurm. Sie ist mit einer Ringmauer umgeben, die wahrscheinlich noch von der ersten Erbauung herrührt.

Die Auffahrt ruht auf 3 Bogen, unter welchen sich Tropfsteinbildungen einer eigenthümlichen blätterigen Art ansetzen. Sie ist mit lauter schönen neuen Gebäuden eingefasst, Wagenremisen, Gärtnerwohnung, namenlich mit ausgezeichneten Stauungen.

Das Städtchen Wildenfels, das theils am Abhange des Schlossberges, theils am Fusse desselben erbaut ist, zählt etwa 300 Feuerstellen mit nahe an 3000 Einwohnern, deren Hauptnahrungszweige Leinen- und Cattun-Weberei und Strumpfwirkerei sind. Im Ganzen ist die Bevölkerung arm, denn der grösste Theil des Grundbesitzes ist in den Händen des Grafen von Solms; ausser diesem hat Wildenfels kaum 12 begüterte Bürger.

Der Name des Ortes soll nach der Behauptung Einiger daher entstanden sein, dass man in dem wilden Felsengrunde vergebens nach Erzschätzen gesucht habe. Diese Behauptung ist aber jedenfalls unbegründet, denn offenbar ist Wildenfels und dessen Benennung älter als der sächsische Bergbau, der allerdings hier nur wenig Ausbeute gewährte, als er bis Mitte des 17. Jahrhunderts auf Kupfer und Blei betrieben wurde. Jedenfalls verdankt Wildenfels seinen Namen nur seiner wilden felsigen Lage.

Bestimmte Nachrichten finden sich über den Ursprung des Ortes nicht, indess behauptet die Sage, das Schloss sei bereits im 5. Jahrhundert von einem edlen Römer begründet worden, der sich zu Geiserichs Zeiten hierher wendete, um seinen festen Wohnsitz hier zu nehmen. So viel steht indess fest, dass Wildenfels einer der ältesten Rittersitze des Landes ist, und dass auch das Städtchen schon früh erbaut wurde; denn schon im Jahre 1233 wurden in dem Stiftungsbriefe, den Herrmann von Schoninburch (Schönburg) dem Kloster Gerungiswalde ausstellte, als Zeugen Goncelinus, Ludolfus et Sifridus, Urbani de Wildenfels, genannt.

Schloss und Herrschaft Wildenfels werden noch früher erwähnt und zwar durch ihre Besitzer in einer thüringischen Urkunde vom Jahre 1119. Diese nennt die Brüder Christian und Unarg, indess lässt sich nicht genau bestimmen, ob sie von Widenfels oder nur von Wilden hiessen.

Von Einigen ist behauptet worden, dass ein von Wilden das Schloss erbaut und nach sich benannt habe, weil sowohl sein Geschlecht als auch die Herrschaft eine Rose im Wappen führen; allein eben so gut kann auch der Name und das Wappen von dem Erwerber der Herrschaft angenommen worden sein.

So viel scheint ausgemacht, dass Wildenfels früher zu der Reichsgrafschaft Hartenstein gehörte, und dass die Grafen es ihren Vasallen, denen von Wildenfels, zu Lehen gaben, darauf einige Zeit selbst benutzten und endlich nicht gleich anderen Besitzungen an Veit von Schönburg abtraten. Wildenfels kam daher als Reichsherrschaft in den Besitz der Voigte von Weyda und später an den Grafen Heinrich von Schwarzburg. Zwar gelangten die von Wildenfels nach längerer Zeit wieder in den Besitz der Herrschaft, allein die Landeshoheit wussten die Kurfürsten Moritz und August, so wie deren Nachfolger, zu gewinnen, obgleich


  1. Die Vornehmen glaubten damals, eher selig zu werden, wenn sie sich in Mönchskutten begraben liessen.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/122&oldid=- (Version vom 22.8.2017)