Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV.djvu/104

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Naundorf
bei Freiberg.


Zu den ansehnlichsten Dörfern des Erzgebirgischen Kreises gehört ohne Zweifel unser Naundorf, welches wegen der vielen sächsischen Ortschaften gleichen Namens Naundorf bei Freiberg, oder auch bei Grüllenburg genannt wird. Es liegt eine starke Stunde nordöstlich von erstgenannter Stadt und ebensoweit südwestlich von Grüllenburg an der alten Strasse in das Reich, die erst in den Jahren 1817 und 1818 völlig chaussirt wurde, und schliesst die vierstündige zusammenhängende Häuserreihe, welche durch die zusammenstossenden Dörfer Dittersbach, Burkersdorf, Oberbobritzsch und Niederbobritzsch gebildet wird. Naundorf beginnt nicht weit von Niederbobritzsch, dehnt seine Häuserlinie von Südwest nach Nordost eine halbe Stunde lang an dem Bobritzschflusse hinunter und läuft da, wo die Chaussee den Ort durchschneidet, in zwei nach Osten und Westen getheilte Seitenarme aus. Die Fluren Naundorfs grenzen nördlich mit Niederschöna, östlich mit dem Tharander Walde, südlich mit Folge und Falkenberg. Das ganze Dorf zählt in 180 Häusern etwa 1200 Einwohner, die theils Landwirthschaft treiben, theils beim Bergbau, oder in dem Grüllenburger Forste beschäftigt sind. Am oberen Ende des Dorfes vereinigt sich die Bobritzsch mit dem ansehnlichen Colmnitzbache, und zwischen Naundorf und Niederbobritzsch mündet der Traugottstolln. Die Gegend ist nicht rauh (1150 Fuss über dem Meere) und zeichnet sich durch treffliche Aecker aus, auf denen man sogar gute Flachsernten erzielt. Im Orte befinden sich ein bedeutender Gasthof, eine ansehnliche Mahl- und Schneidemühle, sowie eine königliche Försterei, deren Bewohner das Naundorfer Revier des Tharander Forstes verwaltet, und ein an Feldbesitz reiches Erbgericht. Bemerkenswerth ist auch ein Hufengut, das bereits seit dreihundert Jahren der Familie Heber gehört und immer vom Vater auf den Sohn forterbte. Der Stammvater dieser alten Landwirthsfamilie hiess Melchior Heber, und noch ist sein Leichenstein vorhanden, dessen Inschrift wir weiter unten mittheilen wollen.

In Naundorf befinden sich zwei Rittergüter. Das eine derselben ist neuschriftsässig und steht im westlichen Arme des Ortes, dessen Ende es bildet. Dasselbe heisst das Mühlengut, Gehegegut, Herrengut und Hennigsche Gut, und die dazu gehörigen Unterthanen werden die Hennigsche Gemeinde genannt. Nahe dabei befindet sich der Gasthof, ein Chausseehaus und eine steinerne Brücke über die Bobritzsch. – Das zweite Rittergut zeigt unsere Abbildung. Dasselbe ist altschriftsässig, liegt in einem Seitengrunde des Thales an des Dorfes westlichem Ende ziemlich hoch über der Bobritzsch an einem hübschen Wäldchen und ist durch einen grossen Garten von der Chaussee getrennt. Dasselbe hat ein ansehnliches Gehöfte und ein wohlgebautes Herrenhaus, auch gehört dazu das durch wichtigen Forstbestand bedeutende Freigut zu Niederschöna. Besitzer desselben ist Herr C. F. B. Albert.

Im Jahre 1721 brach in Naundorf ein Feuer aus, welches unter anderem das Pfarrhaus mit vielen darin aufbewahrten Urkunden verzehrte. Unter den geretteten Schriften befindet sich auch eine vom Bischof Dietrich zu Meissen ausgestellte Urkunde vom Jahre 1404, worin der Pfarrherr Stephan Schneider in Naundorf auf Grund eines offenen bischöflichen Briefes zum

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/104&oldid=- (Version vom 21.5.2017)