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auf dessen äusserster Spitze eine Urne von weissem Marmor ruht. Nach der Gruft, die fünf Bogenfenster und fünf offene Gitteröffnungen erhellen, führt eine hohe breite Doppelthür, und durch den mit Sandsteinplatten belegten Fussboden eine breite Fallthür zum Einsenken der Särge. An der südlichen Seite befindet sich eine ebenfalls mit Fallthür versehene steinerne Wendeltreppe.

Die Filialkirche zu Russdorf, welcher Ort aus vierzehn Bauergütern, einer Mühle und vierunddreissig Häusern besteht, ist ebenfalls sehr alt. Im Thurmknopfe aufgefundene Urkunden aus dem Jahre 1435 und 1695 besagen, dass sie dem Bischof St. Martin zu Ehren erbaut wurde. Der alte interressante Taufstein enthält künstlich aus Holz geschnitzte Figuren und die neuerdings angeschaffte Thurmuhr ist ein Werk des Blankenhainer Schlossermeisters Opitz. Von den drei Glocken zeichnen sich zwei durch ihr hohes Alter aus.

Das Filial Russdorf hatte bis zum Jahre 1534, wo man es „Rurstorff“ geschrieben findet, einen eigenen Pfarrer, zu jener Zeit schlug man es indessen zu Blankenhain, und zwar deshalb, weil das Einkommen beider Pfarrherren zu Blankenhain und Rossdorf äusserst gering war. Da Russdorf damals schon zu Blankenhain gehörte, liess sich diese Aenderung leicht bewerkstelligen, und der Pfarrer Andreas Rorich erhielt die Pfarre zu Mannichswalde, das Pfarrgut aber, welches aus fünf Scheffeln Feld und einiger Waldung bestand, wurde verkauft. – Die Schule zu Russdorf gründete, wie schon erwähnt, im Jahre 1799 die verwittwete Kammerräthin Scheuereck, indem sie an der Stelle des alten Glöcknerhauses ein neues Schulgebäude errichten liess und durch Legate dem neuen Lehrer ein anständiges Einkommen sicherte. – Das Collaturrecht über Pfarre und Schulen steht dem Besitzer des Rittergutes Blankenhain zu.

Otto Moser, Redact.     




Scharfenstein.


In dem herrlichen Zschopauthale erheben sich auf einem Vorsprunge des nach Westen hin ausgedehnten Hauptgebirges[WS 1] die altersgrauen Gebäude der ehrwürdigen Burg Scharfenstein, überragt von einem gewaltigen, mit Zinnen gekrönten Wartthurme, der wie ein ungeheurer Wächter von seinem hohen Standpunkte herab über die Dächer des Schlosses schauend die ganze Gegend beherrscht. Schon viele Jahrhunderte thront die Veste auf der Stirne des Felsens mit dem ihre Grundmauern unlösbar verbunden sind, und tief in das Gestein drang einst der Meisel des Arbeiters um Gemächer in seinem Schoose auszuhöhlen, welche der Besucher der Burg noch jetzt mit Erstaunen und Grauen betrachtet, und die übermenschliche Anstrengung und Ausdauer bewundert, mit welcher der Mensch in den harten Felsgrund sich einwühlte, um zu seiner Sicherheit oder zur Unterstützung einer willkührlichen barbarischen Justiz die dunklen unheimlichen Räume herzustellen. Einzelne verfallene Theile des Schlosses erinnern an die ferne Zeit der mittelalterlichen Rohheit und Unsicherheit, während die mächtigen Gebäude aus neuerer Epoche mit wohnlichen nicht unfreundlichen Zimmern dem Beschauer leicht erkennen lassen, dass bei ihrer Entstehung das Faustrecht nicht mehr regierte, sondern Gesetz und Bestrafung des Verbrechens im Lande gehandhabt wurde. Die Gebäude des Schlosses Scharfenstein umschliessen auf der vorderen Seite einen ziemlich geräumigen Vorhof, nach welchem über den breiten Wallgraben vormals eine Zugbrücke lag, jetzt aber eine Steinbrücke führt, vor der sich das alte Thor mit dem Wappen der Familie von Einsiedel – dem wandernden Einsiedler mit Hacke und Rosenkranz – befindet. Von den Ruinen des Schlosses, von denen man verschiedene Theile, wie zum Beispiel einen starken Thurm auf der südwestlichen Seite, beim Bau der neueren Gebäude benutzte, zeichnet sich namentlich der schon oben erwähnte uralte Wartthurm von dreissig Ellen Höhe und acht Ellen Mauerstärke aus, dessen Bedachung, Treppen und Zinnen theilweise der zerstörenden Zeit als Opfer gefallen waren, jetzt aber wieder in Stand gesetzt worden sind. Dieser alte Thurm, welche ungemeine Aehnlichkeit mit der Warte des alten Einsiedelschen Schlosses Gnandstein zeigt – wie denn überhaupt beide Vesten nach einer gleichmässigen Anlage erbaut zu sein scheinen - steht auf einer isolirten zehn Ellen hohen Klippe, welche den höchsten Punkt des Schlossberges bildet. Die neuern Gebäude der Burg rühren aus dem sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert her, sind ungemein geräumig und bestehen aus zwei Hauptgebäuden und einem mehrfach gebrochenen Flügel. Da ihre Grundmauern zum Theil in die Felsen gehauen sind, und drei Etagen über, einander stehen, so haben die Gebäude von aussen eine auffallende Höhe. Der nördliche Flügel ist mit einem kleinen Thurme geziert, dessen Glöckchen lustig in das Thal herabklingt, und einstmals zum Gottesdienste nach der Kapelle des Schlosses rief, wo vor zwei Jahrhunderten der Burgherr einen besonderen Schlossprediger hielt. In einem der Seitengebäude findet man häufige Tropfsteinzapfen. Ob das Schloss, wie vielfach behauptet wird, in den ältesten Zeiten ein Raubschloss war, ist durchaus nicht zu bestimmen, und da nirgends historische Beweise dafür vorhanden sind, dürfte wohl die einsame und versteckte Lage der Burg zu diesem Verdachte Veranlassung gegeben haben. Dass Scharfenstein ein äusserst festes Schloss war, lehrt noch jetzt der Augenschein, und nur mit grosser Mühe konnte es im Jahre 1312 Friedrich mit der gebissenen Wange in seine Gewalt bekommen. Noch im dreissigjährigen Kriege wurde es als eine Festung betrachtet, und im Jahre 1632 von den Kaiserlichen besetzt. Bald darauf erstiegen es indessen feindliche Soldaten unter Anführung des Herzogs Bernhard von Weimar in einer stürmischen Regennacht, wurden jedoch wieder von den Kaiserlichen vertrieben. Im Jahre 1633 nahmen die Schweden Scharfenstein mit Sturm und liessen die ganze Oesterreichische Besatzung über die Klinge springen. Wegen der Lage des Schlosses an der nahen Strasse erlitt das Schloss in dem Jahre 1813 von dem hin- und herziehenden Heere[WS 2] ebenfalls nicht wenig Ungemach.

Die Burg Scharfenstein mit dem dazu gehörigen bedeutenden Rittergute war im Mittelalter ein Besitzthum der Voigte von Scharfenstein, und im dreizehnten Jahrhundert eine Herrschaft der Herren von Waldenburg und Wolkenstein oder ihnen verwandter Familien. So besass im Jahre 1375 Johann von Waldenburg nebst der Herrschaft Scharfenstein eine grosse Anzahl der in der Nähe liegenden Ortschaften, von denen er verschiedene an das Chemnitzer

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hauptgebirgees
  2. Vorlage: Heerc
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/038&oldid=- (Version vom 9.4.2017)