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rasch entgegengingen liess Churfürst Christian II. sie mit einer Gummimasse überziehen und (1608) in einem Glasschranke verwahren. Bei einem 1654 stattgefundenem Brande, der auch die Kirche bis auf das Gewölbe verzehrte, wurden die Kleider gerettet, und hängen jetzt im Pfarrhause, da die oft hierherkommenden Reisenden sich Stückchen von dieser vaterländischen Reliquie zu verschaffen suchten, wodurch ihre baldige Zerstörung bevorstand. Uebrigens besitzt die Kirche einige sehr gute Gemälde; in den Fenstern alte Glasmalereien und eine Gruft, in der die Leichen nicht verwesen, sondern nur vertrocknen.

Zum Schlusse gedenken wir noch der Stiftung einer edlen Dame, der letzten Besitzerin Lichtewaldes aus dem Geschlechte der Grafen von Watzdorf, Frau Henriette Sophie, verwittwete Geheimräthin Gräfin von Watzdorf, die in ihrem Testamente vom 25. November 1771 durch Legirung eines Capitals von 8000 Thalern, dessen Zinsen jährlich in zwei Terminen an Arme und Hülfsbedürftige in sämmtlichen zu Lichtewalde und Auerswalde gehörigen Ortschaften vertheilt werden sollen, ein unvergängliches Denkmal ihrer Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit unter den Nachkommen ihrer vormaligen Unterthanen gestiftet hat. Der jedesmalige Gerichts- und Majoratsherr von Lichtewalde und Auerswalde hat nach der Stiftungsurkunde für die Sicherheit und Ausleihung dieses Capitals zu sorgen und zu haften, und die halbjährigen Zinsen an den Pfarrer in Ebersdorf auszuzahlen, der dieselben mit Zuziehung und Hülfe seiner Amtsgenossen in Auerswalde, Ottendorf, Niederlichtenau und Oberwiesa vertheilt und zu genauer und sorgfältiger Angabe der Namen der Empfänger, der erhaltenen Summe und des Grundes warum ihnen dieselbe gereicht worden, verpflichtet ist, auch Rechnung über die Vertheilung zu führen und solche dem Majoratsherrn vorzulegen hat, so oft und wann dieser es verlangt. Unzählige Thränen der Dankbarkeit sind schon von Armen und Nothleidenden der edlen hochverdienten Stifterin in ihre Gruft nachgeweint worden, und mancher schweren Sorge, manchem stillem Kummer hat mehr oder weniger abgeholfen werden können. Hochbejahrte, mittellose Personen, arme Wittwen, Waisen, Kranke und Gebrechliche sind es vor Allen, welche aus dieser Stiftung Unterstützung erhalten. Möge der edlen Verewigten die Erde leicht sein!




Schloss Chemnitz.

Die Stadt Chemnitz, eine der drei grossen Städte des Königreichs Sachsen, und dessen wichtigste Fabrikstadt, verdankt ihre Entstehung den Sorben, einem slavischen Volksstamme, der bis zum siebenten Jahrhundert jenseits der Elbe südlich und nördlich bis zum Meere sich ausbreitete und westlich bis an die Saale vordrang. Die Sorben führten zwar ein Nomadenleben, doch theilten sie ihr Land in Zupanieen oder Gaue ein, bauten indessen keine festen Wohnsitze, weil Jagd und Viehzucht sie aus einer Gegend in die andere führten, sondern lebten in einfachen kunstlosen Hütten, die weit von einander entfernt lagen und leicht abgebrochen und fortgeschafft werden konnten. Erst durch ihre Bekanntschaft mit den Franken und Deutschen und durch die mit diesen Völkerschaften entstehenden blutigen Kämpfe erlernten die Sorben den Bau fester, steinerner, zum Schutz mit Wasser und Wällen umgebenen Wohnsitze, die sie in ihrer Sprache Bud oder Buz nannten. Eine solche befestigte Ansiedlung war das jetzige Dorf Altchemnitz, welches in der Zupanie Chutizi – den jetzigen Bezirk um Chemnitz – lag. Als nun Kaiser Heinrich der Vogelsteller im zehnten Jahrhundert mit dem Kreuze in der einen und dem Schwerte in der anderen Hand gegen die heidnischen Sorben auszog, ihre heiligen Haine fällte und die geweihten Altäre zertrümmerte, da mussten die Slaven sich bald vor dem Christengott beugen, und an der Stelle, wo einst in dem heiligen Haine die Gebete der Priester ertönten, erschallten jetzt Axt und Hammer bei Errichtung christlicher Gotteshäuser und hoher gewaltiger Burgen.

Aber nicht so leicht fügten sich die Sorben den Vorschriften ihrer Sieger, immer wieder erhoben sie die Waffen zur Befreiung vom Joche des Christenthums und zur Wiedereinführung ihrer alten Götter. Kaiser Otto I., Heinrichs Sohn, hatte noch manchen blutigen Kampf zu bestehen ehe das kühne Slavenvolk sich in sein Schicksal fügte und ruhig die ihm angelegten Fesseln trug. Der Kaiser liess eine Menge feste Schlösser erbauen, die von Grafen bewohnt und vertheidigt wurden, und an welche die besiegten Sorben einen Tribut zahlten. Ausserdem mussten sich in den slavischen Kolonieen eine grosse Anzahl Deutsche ansiedeln, christliche Priester durchzogen das Land, verkündigten den Sorben die milde Christuslehre und bauten Kapellen und Kirchen welche die heidnischen Einwohner zu besuchen gezwungen wurden. So kam es dass die alten Slavengötter bald in Vergessenheit geriethen und man überall die Knie vor dem Bilde des Gekreuzigten beugte.

Eine solche im Jahre 939 entstandene und mit einem wunderthätigen Marienbilde versehene Kapelle soll den ersten Anbau von Chemnitz, nordöstlich von Altchemnitz, als Wallfahrtsort befördert, und Kaiser Otto I. im Jahre 954 ein Kloster zu St. Marien dabei gestiftet haben. Doch ist Chemnitz eigentlich erst unter dem Kaiser Lothar II. zu einiger Bedeutung gekommen, der der Stadt eine eigene Gerichtsbarkeit verlieh, einen Magistrat einsetzte, sie im Jahre 1125 erweiterte, mit Mauern umgab und zur kaiserlichen Reichstadt erhob. Ebenso trug auch zum Aufblühen der Stadt nicht wenig die Stiftung eines Benediktinerklosters vor Chemnitz bei.

Auf dem Berge, welcher jetzt Schloss Chemnitz trägt, hauste damals tief versteckt in dichter Waldung ein alter frommer Klausner, und hier beschloss Kaiser Lothar, oder wie Andere wollen, seine Gemahlin Richenza,

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/018&oldid=- (Version vom 5.3.2017)