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übrigen in Meissen gelegenen Gütern, darunter Kriebstein, Schweikershain und Ehrenberg durch einen Machtspruch des Churfürsten Friedrichs des Sanfmüthigen, Herzog Wilhelms Bruder, weil er Veranlassung zu dem zwischen den fürstlichen Brüdern ausgebrochenen sechsjährigen blutigen Kriege gegeben hatte, zugleich mit der Gnade des Herzogs verlor. Apel von Vitzthum flüchtete nach langer Gegenwehr – denn er war ein äusserst reicher und mächtiger Mann – mit dem Reste seines Vermögens nach Böhmen, wo er den sächsischen Fürsten noch manchen empfindlichen Streich spielte und den Ritter Kunz von Kaufungen zum Raube der churfürstlichen Prinzen überredete. Kunz war nämlich vom Churfürsten auf einige Zeit in Besitz der Vitzthumschen Güter Kriebstein, Ehrenberg und Schweikershain gesetzt worden, und hatte sich durch einen im Altenburger Schlossarchiv noch jetzt vorhandenen Revers verpflichtet, dieselben ohne Widerrede zurückzugeben, sobald der Churfürst ihn zu seinen im Bruderkriege verlorenen thüringischen Gütern verholfen haben würde. Als nun der Churfürst nach geschlossenem Frieden die Vitzthumschen Besitzungen zurückverlangte weigerte sich Kaufungen sie herauszugeben und zeigte sogar ein Dokument auf, worin Apel von Vitzthum ihm das Eigenthumsrecht an die drei Schlösser abtrat. Da Kunz von Kaufungen einen darauf begonnenen Prozess in allen Instanzen verlor und der Churfürst nunmehr ernstlich auf Räumung der Güter antrug, folgte Kunz des schlauen Apel von Vitzthum Rathe, dem Landesherrn die Söhne zu entführen und so lange in Böhmen auf seinem Schlosse Eisenberg in Gewahrsam zu halten, bis die angstvollen Eltern sich allen von Kaufungen verlangten Bedingungen gefügt haben würden. Es ist bekannt, dass Kunzens kühnes Unternehmen misslang und ihm sogar den Kopf kostete, doch darf man dasselbe nicht als ein gar zu grosses Verbrechen betrachten, indem zur Zeit des Faustrechts jedem Ritter, ja sogar jedem freien Manne das Recht zustand, sich so lange der Person seines Gegners oder ihm nahestehender Personen zu versichern bis eine Einigung wegen des streitigen Punktes erfolgt war. – Apel von Vitzthum, der in Böhmen durch seine ungemeinen Geistesgaben bald wieder zu hohem Ansehen gelangte starb im Jahre 1470, und seine Nachkommen schreiben sich Vitzthum von Egersberg. Für treue und wichtige Dienste im Bruderkriege belehnte nach Vitzthums Flucht Churfürst Friedrich der Sanftmüthige den Ritter Hermann von Harras mit Lichtewalde, der ebenfalls wie Kunz von Kaufungen seine thüringischen Güter durch Herzog Wilhelms raub- und brandlustige Heerhaufen verloren hatte. Dieser Hermann von Harras hinterliess in den Landen des Herzogs ein fürchterliches Andenken, indem er mit Feuer und Schwert wie ein Würgengel daherzog, und an einem einzigen Tage sechzig thüringische Dörfer niederbrennen liess, wesshalb er auch den wohlverdienten Namen des Brandmeisters erhielt. Er starb im Jahre 1465 zu Leipzig, wo man in der Thomaskirche noch jetzt sein Epitaphium sehen kann. Die Familie der Harras blieb im Besitz von Lichtewalde bis 1561, wo Eustachius von Harras, als der letzte seines Stammes, kinderlos mit Tode abging und der Churfürst das Gut als offenes Lehen einzog um es mit den Krongütern zu vereinigen.

Bis 1694 blieb Lichtewalde Kammergut, in diesem Jahre aber gelangte es in den Besitz eines Herrn von Bünau, der dem Churfürsten August dem Starken Pillnitz dafür überliess. Lichtewalde wurde nunmehr in ein schriftsässiges Allodialgut verwandelt und kam 1719 an den Grafen von Flemming, von diesem aber schon 1722 an den Grafen von Watzdorf, der 100,000 Gulden dafür zahlte, das alte Schloss niederreissen und dafür das jetztstehende nebst den ersten Anlagen zu einem Park herstellen liess. Der einzige Sohn des Grafen von Watzdorf starb im Jahre 1764 ohne Nachkommen, und das reiche Erbe fiel seiner Gemahlin anheim, einer gebornen Gräfin Vitzthum von Eckstädt, der hochherzigen Dame, deren Namen noch jetzt tausendfältig mit Rührung und Ehrfurcht genannt und gesegnet wird. Die verwittwete Gräfin von Watzdorf schied aus diesem Leben im Jahre 1772 nachdem sie ihren jüngeren Bruder, den Oberkammerherrn Grafen von Vitzthum unter der Bedingung zum Erben ihrer Besitzungen ernannt hatte, dass er aus denselben ein Majorat für die Vitzthumsche Familie gründen möge. Der erste Majoratsherr war Graf Friedrich August Vitzthum, der 1777 die Güter erhielt und ungemein viel für die Verschönerung und Erweiterung des Parkes that. Derselbe starb im Jahre 1803 und ihm folgte sein damals noch unmündiger Sohn, der jetzige Majoratsherr Graf Otto Rudolph.

Unter allen Garten- und Parkanlagen unseres Vaterlandes giebt es nicht eine, die in Bezug auf Grossartigkeit und romantische Lage der hiesigen nachstände. Mit unbeschreiblicher Mühe und ungeheuren Kosten liess Graf Watzdorf den Schlossberg von dem darauf wachsenden Nadelholz reinigen, fruchtbare Erde hinaufschaffen und durch den dazu berufenen braunschweigischen Kunstgärtner Wehmann mit der Herstellung der Anlagen beginnen. Der prachtvolle Park hat allerdings Hunderttausende gekostet, aber dafür ist er auch einer der schönsten Sachsens, obgleich sein Geschmack bisweilen an die steife französische Manier des vorigen Jahrhunderts erinnert. Lauben, Hecken und Baumgänge überraschen oft das Auge durch ihre eigenthümliche perspectivische Anlage und namentlich zeichnet sich eine wunderschöne Lindenallee aus, die vollständig geebnet eine Länge von fünfhundert Ellen hält. In früheren Zeiten zierten den Garten unzählige, in den verschiedensten Gestalten angelegte Wasserkünste, von denen man indessen die meisten eingehen liess, weil neue Parkzierden deren Verdrängung erheischten. Doch ist für den Freund solcher springenden Wässer in Lichtewalde noch genug zu sehen, denn einhundertsechszehn Künste, die freilich nur zu gewissen Zeiten, namentlich zum Pfingstfest, in Thätigkeit gesetzt werden, bieten des Angenehmen und Ueberraschenden nicht wenig, wesshalb auch aus den umliegenden Städten zahlreiche Besucher herbeiströmen, um sich an dem wunderbaren Spiele der Wasserstrahlen zu ergötzen. Vorzüglich schön ist ein Wasserfall, der einhundert und zehn Ellen hoch seine schäumenden Wellen von der Höhe des Berges in die Zschopau hinabstürzt und aus einem Bassin gespeist wird, das alles durch eine Hebemaschine in die Künste geleitete Wasser, welches durch eine 700 Ellen lange Röhrenfahrt 366 Ellen hoch steigen muss, in sich aufnimmt. Die Hebemaschine, welche durch ein ganz einfaches Druckwerk in Bewegung gesetzt wird, scheint übrigens schon vor der Entstehung

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Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/016&oldid=- (Version vom 5.3.2017)