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Semmel, Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn auf Dorna und Stadthauptmann in Gera für 32000 Thlr. verkaufte. Letztrer liess es aber schon 1819 an Herrn Gotthelf Christian Friedrich Richter, damaligen Schul-Oeconomie-Inspector zu Meissen um 36500 Thlr. ab.

Herr Oeconomie-Inspector Richter veräusserte es 1823 wieder an Herrn Dr. Theod. Heinrich Karl Abraham Eichstädt, Grossherzogl. sächs. Weimarischer Geh. Hofrath, Prof. der Poesie und der Eloquenz zu Jena, Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn auf Benndorf und zwar um die Summe von 42,500 Thlr., nach dessen Tode erbte es dessen Frau Schwester Frau Concordia D. Ackermann Hering, geb. Eichstädt, welche es ihrer Frau Tochter Louise Mylius zu Leipzig überliess, welche es jetzt noch besitzt. Am 7. Nov. d. J. ist die einzige Schwester obgedachten D. Ackermann Hering in die Familiengruft zu Stötteritz beerdigt worden.

Die herrschaftliche Wohnung, wenn auch nicht schlossartig, ist im gefälligen freundlichen Style erbaut und zu derselben gehören schöne Wirthschaftsräume.

Die Oeconomie des Gutes ist nicht unbedeutend zu nennen, vorzüglich baut es guten Roggen, schönen Klee und auch Taback.

Die Umgebungen sind angenehm und freundlich, indem Landhäuser von nahen Leipzig den Ort ausserdem noch zieren.

Die Schicksale des Orts anlangend, so ist vorzüglich der 30jährige Krieg der gewesen, in welchem Stötteritz fürchterlich gelitten hat.

Im Jahre 1637 hat die Pesth hier so gewüthet, dass Herrschaften und Unterthanen ausgestorben sind und der Pfarrer keine Zuhörer mehr in der Kirche hatte.

Im Jahre 1806 und vorzüglich 1813 hat der Ort durch Einquartierung, Requisitionen, Plünderungen, Verheerungen und Brand namenloses Leid ertragen müssen.

Das Einzige, was in diesen unglücklichen Zeiten gerettet wurde, war die Kirche, wiewohl sie im Innern auch beraubt und geplündert wurde. Während die benachbarten Gemeinden wie in Probstheide, Holzhausen, Zuckelhausen die Kirchen verloren durch Brand, blieb solche in Stötteritz verschont.

Für Leipzigs Bewohner sind mehre Punkte von Stötteritz besuchte Vergnügungsorte geworden. Namentlich gehört die Wirthschaft des Herrn Schulze, welcher einen schönen Garten angelegt hat, zu den beliebtesten Orten in Stötteritz. Auch die nahe an Stötteritz liegende sogenannte Papiermühle ist wieder in Aufnahme und wird an Wochentagen von höheren Ständen Leipzigs an schönen Sommerabenden fleissig aufgesucht.

Der Ort selbst hat sich in den letzten Jahren bezüglich der Häuser und Einwohnerzahl sehr vergrössert; denn während im Jahre 1833 Stötteritz in 50 Häusern 300 Einwohner zählte, hat jetzt der Ort 300 Häuser mit 2500 Einwohnern, welche dem Gerichtsamte Leipzig I. zugewiesen sind.

Im Orte selbst ist ein Gens’darm stationirt.

Die meisten der Bewohner von Stötteritz finden in dem nahen Leipzig Beschäftigung und Unterhalt, im Orte selbst giebt es viel Cigarrenarbeiter, denn der Tabackbau wird hier immer noch gepflegt, wenn auch nicht mehr in solch reicher Masse, wie früher.

Das sonst noch Bemerkenswerthe von Stötteritz haben wir schon bei der Beschreibung von Stötteritz untern Theils in diesem Album erwähnt so dass wir es für überflüssig halten; nochmals darauf zurückzukommen.

Einen besondern Vorzug genoss früher Stötteritz bezüglich seines Kartoffelbaues, denn hier wurden die besten sogenannten Lerchen gezogen, eine Art dieser Frucht, welche jetzt ganz ausgeartet und nicht mehr erbaut worden ist.

(M. G.)     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/358&oldid=- (Version vom 7.1.2019)