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über diese Differenzen sind in den Statuten der Stadt Grimma heute noch zu finden. Unter andern geht daraus hervor, dass im Orte schon seit den ältesten Zeiten eine Erbschänke gewesen, deren Inhaber das Recht hatte, in dem herrschaftlichen Brauhause zu mälzen und zu brauen.

Im vorigen und in diesem Jahrhunderte besass der Königl. Sächs. Kammerherr und Oberforstmeister Gottlob Heinrich von Lindenau zu Schneeberg das Gut Polenz. Nach dessen Ableben kam es an Herrn Major Petricowsky-Lindenau. Seit dem Jahre 1841 ist dessen Tochter, welche mit Herrn Johannes Oskar von Trebra verheirathet ist, damit beliehen, und diese Familie ist jetzt noch im Besitze von Polenz. Herr von Trebra ist als Ehegatte der Besitzerin stimmberechtigt zu den Wahlen des Landtages.

Dem Rittergute Polenz steht die Collatur über die dasige Kirche und das Filial zu Ammelshain, so wie über die hiesige Schule zu.

Die Kirche ist hell und im Innern symmetrisch eingerichtet, mit einem hohen Thurme versehen und zeichnet sich in der ganzen Gegend aus. Die neuerbaute Pfarrwohnung gewährt eine schöne Aussicht in die leipziger Gegend.

Die hiesige Schule erfreut sich seit 50 Jahren schon einer sehr guten Einrichtung, wozu der Gerichtsherr, Herr Oberforstmeister von Lindenau und der Pfarrer des Orts, Gottlieb Leberecht Schulze sehr viel beigetragen haben. Von dem ersteren wurde eine schöne Lesemaschine, mehrere Landkarten, Bildungsschriften für den Lehrer angeschafft, und für die ärmeren Schulkinder das Schulgeld bezahlt.

Polenz wurde auch von einem Brand vor 50 Jahren heimgesucht. Es entstieg aber desto schöner aus seiner Asche.

Die Gegend von Polenz hat überhaupt viel Holzung und im Ganzen einen hügeligen, nicht unangenehmen Character. Unweit Polenz entspringt der Klein-Steinberger Bach, und im Südwest steigt, von dieser Seite nur sanft, der Brandiser Collmberg gewöhnlich Kohlenberg genannt an. Dieser sanft abgerundete, aus Süd- und Nordwest sich steil bis zu einer Höhe von 60 Ellen erhebende Berg ist ganz mit Laubholz bewachsen, welches zum Rittergute Brandis gehört, und gewährt durch einige Waldlücken treffliche Aussichten, besonders gegen Süden, wo die ganze Gegend von Otterwisch, Mölbis, Lausigk u. s. w. dem Blicke sich öffnet und die Kette des Ober-Erzgebirgs fast von einem Ende bis zum andern zu sehen ist. An seinem Abhange giebt es eine Sandgrube, und an seinen südöstlichen Fuss lehnt sich das, ziemlich versteckt gelegene Dörfchen Klein-Steinberg.

Die Einwohner von Polenz leben von der Landwirthschaft. Man erbaut besonders sehr schönen dünnscheligen und mehlreichen Roggen, der in der ganzen Gegend sich auszeichnet.

Die Wiesen liegen etwas sumpfig. Die Feldarbeit wird hier meistentheils mit Kühen verrichtet, wozu das Land leicht genug ist.

Polenz hat 73 bewohnte Gebäude mit 95 Familienhaushaltungen und 424 Einwohnern, und gehört jetzt zum Gerichtsamte Brandis, zum Bezirksgericht Leipzig, zur Amtshauptmanschaft Grimma, zum Regierungsbezirk Leipzig.

Eben so das Filial Ammelshain, welches zwar ein besonderes Rittergut bildet, aber bis zum Jahre 1733 der Familie von Lindenau mit gehörte. Wilhelm von Lindenau erkaufte solches im Jahre 1531 von Ambros Linbacher oder Lindbacher, einem leipziger Patrizier.

Merkwürdig ist von diesem Orte, dass nach alten Verträgen, einen Leinweber ausgenommen, kein Handwerker sich hier niederlassen dürfte.

Später hat sich dies geändert. Denn jetzt giebt es daselbst Hufschmiede, Schneider, Schuhmacher und Fleischer.

Der Saubach, der das Dorf durchfliesst, bildet bei demselben drei grosse Teiche.

Ammelshain excellirt in manchen Jahren durch die Schnepfenjagd.

Fischerei hat das Gut in den dazu gehörigen Teichen, von denen einer im Dorfe die dasige Mühle speist, aber nur in wasserreicher Jahreszeit.

Das Gut hat 360 Acker Feld, 70 Acker Wiese, 50 Acker Teiche, 700 Acker Wald. Im Ganzen ist der Boden lehmigt und die Unterlage Kies, vorherrschend Classe 4–7 u. 7. Auch befindet sich hier ein mächtiges noch nicht bebautes Kohlenlager.

(M. G.)     





Druck von Sturm und Koppe (A. Dennhardt) in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/247&oldid=- (Version vom 7.1.2019)