Stötteritz liegt ½ bis ¾ Stunde östlich von Leipzig, auf einer fast von allen Seiten allmälig ansteigenden Fläche, von 430 bis 470 Pariser Fuss über der Meeresfläche (d. i. gegen 60 Ellen über den Spiegel der Pleisse) in einer nichts weniger als reizenden Gegend, die jedoch eine weite Aussicht zeigt.
Der Ort gehörte vor der neuen Gerichtsorganisation, mit Ausnahme des früheren Leipziger Amts-Antheils, zu den beiden hiesigen hübschen Rittergütern, deren eins durch den ehemaligen Besitz des Dichters und Kinderfreundes C. F. Weisse, das andere durch den Besitz des grossen Jenaischen Philologen Eichstädt berühmt ist.
Das, was man hier in der Abbildung sieht, ist das des früheren Kinderfreundes C. F. Weisse zugehörig gewesene Gut. Es steht nordwestlich vom Gute des Prof. Eichstädt in Jena, dessen Besitzung in der Mitte des Orts liegt. Beide Rittergüter sind nur von mittlerer Stärke und haben angenehme Gärten und kleine, aber gefällige Herrenhäuser. Beide Güter haben, ausser der Wirthschaft, nur wenig Intraden.
Auf dem Gute, dem unsere Beschreibung gilt, verlebte Christian Felix Weisse die angenehmsten Stunden seines Alters und viele seiner Geistesprodukte gingen von Stötteritz aus, zur Belehrung, Aufheiterung und Veredlung des jugendlichen sowohl, als des reifen Alters, durch ganz Deutschland.
Von Christian Felix Weisse kam das Gut an dessen Sohn, den Oberhofgerichtsrath und Prof. Weisse. Nach dem Tode des Letztern haben seine Erben Stötteritz eine Zeit lang gemeinschaftlich besessen, bis es aus dem Erbe der derzeitige Besitzer, Herr Prof. der Philosophie und Doctor der Theologie, Christian Herrmann Weisse, übernahm.
Stötteritz ist das grösste und bevölkertste, aber nicht eben das wohlhabendste Dorf des Leipziger Kreises. Seine Einwohner nähren sich grösstentheils als Handlanger und Fabrikarbeiter in Leipzig; die wenigen Felder, die sie besitzen, werden meist zum Anbau von Küchenkräutern, Tabak und Kartoffeln verwendet.
Der Tabakbau war früher hier ein Haupterwerbszweig, geht jedoch jedes Jahr mehr zurück, indem alle Versuche im Grossen aufgegeben worden sind und nur die kleinen Besitzer sich noch mit der Kultur dieser Pflanze abgeben. Wenn man sonst jährlich den Ertrag der Tabaksernte auf 10,000 Centner berechnen konnte, so dürfte jetzt höchstens noch der zehnte Theil dieser Summe erbaut werden.
Von den Weisseschen Anlagen aus hat man eine recht freundliche Aussicht bis nach dem Petersberge bei Halle und dem Merseburger Schlosse.
Die Bauart des Dorfes selbst ist die eines kleinen Landstädtchens mit einzelnen Gassen. Mehre Villen von Leipzigs Bürgern und einige Vergnügungsorte zeichnen sich unter den Gebäuden aus. Von letzteren wird von den niedern Ständen die ehemalige Papiermühle – deren Gezeug durch eine holländische Windmühle (nach der Erfindung des in Dresden verstorbenen Papiermüllers Schuchard, dessen Papier-Windmühle bei Dresden im 7jährigen Kriege verbrannte) getrieben wurde, die aber durch einen Brand 1809 ihr baldiges Ende erreichte – am westlichen Dorfeingange am meisten besucht; doch ist die Schänke in der Mitte des Dorfes mit ihren vielen kleinen Lauben fast nicht minder beliebt.
Stötteritz ist der Geburtsort des Professors Eucharius Gottlieb Rink, welcher 1670 geboren, von 1707 an bis zu seinem Tode im Jahre 1745 in Altorf die Rechte lehrte und sich besonders um die historischen Hülfswissenschaften verdient machte. Er besass auch ein gutes Münzcabinet.
Im Jahre 1546 vom 7. bis 27. Januar diente der Ort dem Kurfürsten Johann Friedrich zum Hauptquartier, als er Leipzig belagerte, und im Jahre 1642 bei der Belagerung Leipzigs durch General Torstensohn hatte letzterer seinen Sitz ebenfalls hier.
Bei der grossen Völkerschlacht im Jahre 1813 stand hier der linke Flügel der französischen Armee, welchen die Garden und Cavallerie-Reserven bildeten. Vom 17. zum 18. October stand Stötteritz mit den Dörfern Probsthaida, Holzhausen und Schönfeld in Flammen.
Der beabsichtigte Angriff auf Stötteritz Seiten der verbündeten Mächte gelang wegen der hier concentrirten Macht der französischen Truppen nicht. Das Gefecht beschränkte sich hier bis zum Abende auf eine Kanonade. In der Nacht wurde schon der Rückzug der Franzosen angeordnet und solcher in aller Stille angetreten, so dass der Feind nicht das Geringste davon merkte.
Die Kirche in Stötteritz, ein gefälliges Gebäude, doch fast zu klein für die Gemeinde, steht fast mitten im Dorfe und ist das Filial von Baalsdorf, ¾ Stunden östlich von hier entlegen. In früheren Jahren versah
Leipziger Kreis, 19tes Heft, oder 75stes Heft d. g. F.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/225&oldid=- (Version vom 7.1.2019)