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dem Rittergute vereinigt hatten. Als Graf Carl Detlev an dem Hernsdorfer Bache verschiedene Fabrikanlagen errichtete, vertheilte er einen Theil der Grundstücken dieses Bauergutes an die Einwohner Wolkenburgs und so entstanden die sogenannten Brückenhäuser im Brückenthale, welche, wie alle von dem Bauergute abgerissenen Grundstücken, zum Kirchspiel Wolkenburg gehören, obschon Hernsdorff, auf dessen Territorium das Bauergut liegt, in die Kirche zu Kaufungen eingepfarrt ist. Im Brückenthale befindet sich auch eine grosse Baumwollenspinnerei, welche aus den Fabrikanlagen des Grafen Carl Detlev hervorging. Fast alle Bewohner Wolkenburgs nähren sich von Fabrikarbeit und Handarbeit; sie bestehen aus mehr als fünfhundert Seelen.

Die Schicksale Wolkenburgs betreffend haben wir bereits erwähnt, dass durch einen Einfall der Hussiten das Oberdorf und Biensdorf vernichtet wurden, das Schloss aber widerstand den Angriffen der Feinde, da es mit einer grossen Zahl bewaffneter Flüchtlinge besetzt war. Auch im dreissigjährigen Kriege diente die Burg häufig als Zufluchtsort der Umwohner, doch finden wir sie 1632 wie auch 1640 in Schwedischem Besitz. Die Russen verbrannten 1813 die hiesige Muldenbrücke. Häufig wurde das Niederdorf Wolkenburg von Ueberschwemmungen heimgesucht, wie im Jahre 1700, wo der Strom Gümpels und Hammers Häuser, hinter der Mühle gelegen, mit fortnahm und 1771, wo das Wasser bis an das erste Stockwerk der Mühle reichte. Die Pest herrschte in den Jahren 1585, 1624, 1633 und 1642. Nach Wolkenburg brachte 1633 die Seuche ein fremder Kutscher, worauf in wenigen Tagen einige Häuser ausstarben. Im 16. und 17. Jahrhundert trieb man hier auch Bergbau und zwar in den Stollen St. Thomas, St. Georg, die drei Brüder, der Schanzberger Stollen und der Pfeifer. Das Erz schmolz man im „Räuber“, wo man auch noch Schlackenhaufen findet, und die vom Räuber nach Thierbach zu liegenden Teiche scheinen zum Bergwerksbetriebe gehört zu haben. – Uebrigens hauste in den Jahren 1615 und 1617 in hiesiger Pfarre ein Gespenst, denn in der damaligen Kirchrechnung finden sich verausgabt: 12 Groschen dem Notario des ehrwürdigen Consistorii zu Leipzig wegen gethaner Resolution des Gespenstes halber allhier in der Pfarre. Später sind 36 Groschen angesetzt, als von Ihren Gestrengen bewilligt und dem Pfarrer ausgezahlt für die Lichter, so in der Pfarre bei nächtlichem Tumult des Gespenstes in die sechsundzwanzig Wochen aufgegangen sind.

Die ältere Kirche zu Wolkenburg, umgeben von dem Friedhofe, dient jetzt als Erbbegräbniss der Schlossherren und ist ein uraltes Gebäude, dessen Rundbögen der beiden äusseren Fenster und der Uebergang in den gothischen Styl als Erbauungszeit auf das zwölfte Jahrhundert schliessen lassen, so dass es gar nicht unwahrscheinlich ist, es sei diese Kirche dieselbe, welche Graf Wieprecht von Groitzsch erbauen liess. Ausser den Grüften der Familien von Ende und von Einsiedel enthält das alte Gebäu auch einen künstlich gearbeiteten Altar aus Alabaster, den Agnes von Einsiedel dem Andenken ihres Gemahls Haubold von Einsiedel († 1654) widmete. Ein hier befindlicher Kelch von Silber mit dazu gehöriger Patene ist ebenfalls ein Geschenk dieses Ehepaars, das es aus dem Pathengelde eines verstorbenen Sohnes, Heinrich Hildebrand, anfertigen liess. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die alte Kirche für die vermehrte Bevölkerung so unausreichend geworden, dass Abhilfe getroffen werden musste und man beschloss ein neues Gotteshaus zu erbauen, wozu der damalige Kirchenpatron, Detlev Carl Graf von Einsiedel, königlich Sächsischer Conferenzminister, nicht nur seine Zustimmung ertheilte, sondern sogar die Kirche auf eigene Kosten erbaute, denn die aus dem Kirchenvermögen entnommenen 800 Thaler dürften wohl bei dem kostbaren Baue nicht zu erwähnen sein, da dessen Herstellungskosten an 80000 Thaler betragen mögen. Am 12. April 1794 geschah die Grundsteinlegung und am 29. October 1804 wurde die neue Kirche eingeweiht. Die neue Kirche zu Wolkenburg ist ohne Zweifel die kostbarste Dorfkirche Sachsens, ja vielleicht des ganzen protestantischen Deutschlands. Das Aeussere derselben gleicht – freilich mit Ausnahme des Thurmes – einem griechischen Tempel, zu dessen auf Säulen ruhendem Hauptportale unter dem Thurme eine Freitreppe führt. Ueber den drei mit Säulen decorirten Hauptkirchthüren befinden sich vortreffliche Basreliefs in Eisenguss, biblische Scenen darstellend, Kunstwerke (des Lauchhammers) vom ersten Range. Auch der Taufstein ist von Gusseisen und steht in einer besonderen Halle. Auf dem marmornen Altar erblickt man ein alabasternes Crucifix, dessen Fuss aus den vorzüglichsten Mineralien des Erzgebirges zusammengesetzt ist, sowie sehr schön geformte silberne Abendmahlgefässe und zwei vom Grafen Carl von Einsiedel hierher geschenkte zierliche Altarleuchter. Zu beiden Seiten des Altars befinden sich zwei aus Eisen gegossene Engel, die durch Rauchfass und Opferschale den Altardienst darstellen. Die Emporen im Kirchenschiff ruhen auf Säulen, zwischen dem Schiff und Chor aber sind die verschiedenen Capellen für die Herrschaft und einige Andere dergestalt angebracht, dass sie von Aussen als zur Kirche gehörend erscheinen, von Innen gesehen aber gänzlich in die Wand zurücktreten. Aus der herrschaftlichen Capelle führt eine steinerne, kunstvoll erbaute Schneckentreppe nach einer eisernen Brücke, welche die Verbindung mit dem Schlosse vermittelt. Dem Hauptportale der Kirche gegenüber befindet sich die Büste des Erbauers. – Im hohen Chor unter der Kuppel ist ein Gemälde, Christus die Kinder segnend, das von dem berühmten Oeser begonnen, von Menzel fortgesetzt und nach dessen Tode von Veit Schnorr beendigt wurde.

Steigt man von der Brücke den steilen Schlossberg hinauf, über welchen hinweg eine kleine Brücke beide Berge verbindet, so hat man, ziemlich oben angelangt, zur Linken den sehr ausgebreiteten Nutzgarten, rechts aber die Parkanlagen, die das Schloss fast von allen Seiten umgeben und nirgends eingeschlossen sind, mit Ausnahme des Thiergartens, wo sonst weisse Hirsche gehalten wurden. Trotz des geringen Umfangs zeigt der Park in Folge seiner Lage und verschiedenen Höhe viel Abwechselung und namentlich erwähnenswerth sind: die Hauptallee, die Grotte mit Büsten berühmter Gelehrten, eine Einsiedelei, mehrere kunstvolle Felsenparthieen und endlich das Bowlinggreen mit der Copie des Belvederischen Apolls, eines Werkes des Lauchhammers, welches zu dessen vorzüglichsten Kunstwerken gehört. Das Gewächshaus ist gleichfalls bemerkenswerth. Alle diese Anlagen krönt das Schloss. Unter einem starken, jedoch in neuerer Zeit modernisirten, siebzig Ellen hohen Thurme hinweg gelangt man in den von drei Flügeln und einigen hohen Mauern umschlossenen Hof. Das Gebäude hat fast überall drei Etagen und auf der südöstlichen Seite eine bedeutende Fronte. Das Innere des Schlosses ist ebenso geschmackvoll als modern eingerichtet und birgt einige sehenswerthe Sammlungen, sowie eine sehr hübsche Bibliothek, deren Gründer Rudolf Haubold

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/096&oldid=- (Version vom 3.6.2018)