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Wolkenburg.


Wolkenburg liegt in geringer Entfernung von der Altenburgischen Grenze, eine Stunde südwestlich von Penig und anderthalb Stunden nordöstlich von Waldenburg, in einer sehr coupirten Gegend, die gleich der von Wechselburg zu den schönsten des Muldenthales gehört. Die Mulde, welche hier überbrückt ist, kommt aus südwestlicher Richtung an, beschreibt um den Schlossberg einen engen langhingedehnten Bogen, windet sich in einem kesselartigen, später sich verengenden von hohen Bergen gebildeten Thalgrunde hin und nimmt alsdann ihren Lauf nach Norden. In die Windungen dieses engen Thales münden mehrere kleine Seitenthäler mit ihren Bächen. Auf hohem Granitfelsen erhebt sich hier das gewaltige Schloss und nicht weit davon die neuerbaute prachtvolle Kirche. Von dem Altane der Wolkenburg (250 Par. Fuss über der Mulde und 914 Fuss über dem Meere) überschaut man das ganze herrliche Muldenthal mit seinen Ausläufern und angrenzenden Höhen. Die einzelnen Theile dieses Panoramas erscheinen als ebenso viele schöne Landschaftsbilder, wenn man durch die Fenster eines nach Morgen gelegenen Eckzimmers oder die Rundfenster schaut, welche in der Kuppel des Altans angebracht sind. Man blickt hinab auf den Holzmühlengrund, mit dem Kirchlein von Niederfrohna, weiterhin erhebt sich das Stammschloss des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen, am Kaufunger Grunde, begrenzt von dem Höhensteiner Berge; in anderer Richtung zeigt sich der Herrensdorfer Grund mit stattlichen Fabrikgebäuden; das Muldenthal mit den waldigen Höhen von Waldenburg; der Grund des Frankener und des Siebenwinkelbaches mit der Frankener Kirche; eine Ebene mit der alterthümlichen Pfarre und ältern Kirche Wolkenburgs und endlich die im engen Thale sich hinwindende Mulde. Im Hintergrunde erblickt man Penig und fern am Horizonte den hohen Rochlitzer Berg.

Der Pegauische Mönch, Biograph des berühmten Wieprecht von Groitzsch, sagt in seiner Chronik: „Anno 1103 liess Graf Wieprecht von Groitzsch im Bisthum Merseburg einen neuen Landacker zurichten, begab sich hierauf in Franken, allwo seine Mutter Sigena sich verheirathet hatte, und erhielt dass von dannen viele Bauern mit ihm zogen. Denen gab er von genannter Pflege ein, befahl den ganzen Wald auszurotten, mit der Verheissung, was ein jeder einbekäme, das solle er erblich besitzen. Und damit sie noch williger würden ordnete er ferner, dass ein Jeder den Ort, welchen er mit seinem Gesinde aufbauen und bewohnen würde auch nach seinem Namen nennen solle. Als nun an der Mulde und Wyhra viele Dörfer angebaut worden u. s. w. – in diesen Worten liegt die Erzählung von dem Ursprunge Wolkenburgs. Der tapfre Wieprecht hatte für seine wichtigen Dienste vom Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1081 das Schloss Leissnig mit vielen umliegenden Ländereien erhalten, wozu auch Colditz und die Gegend von Wolkenburg gehörte. Der kriegerische, schlaue und thätige Graf fand hier ein weites Feld diese Eigenschaften zur Geltung zu bringen. Ueber die vom Kaiser Heinrich I. bezwungenen Slaven herrschten die kaiserlichen Voigte des Voigtlandes, dessen äusserste Grenze sich bis Waldenburg erstreckte; auch das Pleissnerland gehorchte kaiserlichen Statthaltern und die Deutschen, welche siegreich bis in die Lausitz vorgedrungen waren, hatten bereits zur Verbreitung des Christenthums und Befestigung ihrer Herrschaft die Bisthümer Zeitz, Naumburg und Meissen gegründet. Der äusserste Punkt des Bisthums Merseburg war Kohren, bis hierher erstreckte sich der Wald Miriquidi, und vorzüglich in den wilden Schluchten und Thälern der Mulde und Zschopau hausten noch Sorbenstämme, die furchtbarer Hass gegen die Unterdrücker ihres einst so mächtigen Volkes oft aus den Schlupfwinkeln hinaustrieb in das flache Land, um Rache zu nehmen an den übermüthigen Siegern. Noch jetzt heisst ein Ueberrest jener finstern Waldungen über Thierbach „der Räuber“ in dem man noch Spuren eines uralten Raubschlosses erblickt, die in die Spitze eines schroffen Berggipfels auslaufen, der die Schanze genannt wird, und durch eine Furth über die Mulde nach dem vormals so gefürchteten Raubschlosse Zinnberg führen, das einst Umizi hiess und der Sitz eines sorbischen Häuptlings war. Diese Nachbarschaft hatte bisher die Deutschen ungemein gehindert den fruchtbaren Landstrich zwischen der Mulde und Wyhra anzubauen, Graf Wieprecht von Groitzsch aber machte diesen feindlichen Einfällen ein baldiges Ende, indem er in die fast unzugänglichen Schlupfwinkel eindrang, die Raubnester zerstörte und die Sorben vertrieb oder als Leibeigne verschenkte. Während die aus Franken herbeigerufenen Deutschen das Land anbauten und die finstern Waldungen niederschlugen baute Wieprecht zu deren Schutze feste Schlösser und nahe dabei Capellen, wo ein Geistlicher Gottesdienst hielt und sich zugleich mit der Bekehrung gefangner leibeigner Sorben beschäftigte.

     Leipziger Kreis 8tes Heft, oder 32stes Heft der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/093&oldid=- (Version vom 21.5.2018)