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Abtnaundorf.


An dem Flüsschen Parthe, welches in einer Unzahl von Krümmungen durch fette Triften und üppiges Gesträuch seiner Vereinigung mit der Pleisse entgegenrinnt, liegt auf einer sanften Abdachung das Dorf Abtnaundorf, dessen elegante Villen und hübsche Bauerhäuser aus dichten Obstpflanzungen und hochgewipfelten Buchen einladend hervorschauen. Das wohlhabende schmucke Dörfchen enthält fünfunddreissig Behausungen mit ungefähr dreihundert und dreissig Bewohnern, die grösstentheils ihren Broderwerb in dem nahen Leipzig finden. Das hiesige Wirthshaus ist ein sehr besuchter Belustigungsort der Bier und Kuchen liebenden Leipziger, die namentlich an Sonntagen schaarenweise durch die grünen Parthenwiesen nach dem freundlichen Abtnaundorf pilgern, um dort im grossen wohlgepflegten Garten des Wirthshauses sich von den Mühen und Sorgen des geschäftlichen Lebens zu erholen, oder den herrschaftlichen Garten, welcher mit freundlicher Bewilligung des Rittergutsbesitzers jeder anständigen Person offen steht zu besuchen. Die westliche Seite des Dorfes umschliesst ein reizendes Wäldchen mit einfachen aber recht angenehmen Anlagen, das sich bis an die Parthe und ihre grünen Wiesenufer erstreckt. Die Fluren Abtnaundorfs rainen mit Schönfeld, Mockau, Neutzsch, Plösen und Cleuden.

Auf der nördlichen Seite des Dorfes liegt das Rittergut mit einem stattlichen in neuerer Zeit erbauten Herrenhause. Dieses ist durch ein Eisengitter vom Oekonomiehofe getrennt und mit den herrlichsten Gartenanlagen umgeben. Eine äusserst liebliche Ansicht bietet sich von der Höhe des Gartens auf die Parthe und ihre Aue, zu welcher letzteren zwei über den Fluss gestreckte Brücken führen. Die Parkanlagen haben einen bedeutenden Umfang und sind nach einer Seite von dem ebenfalls sehr ausgedehnten Gemüsegarten begrenzt, welchen eine Reihe zu ökonomischen Zwecken verwendete Gebäude umschliessen. Die Oekonomie zeichnet sich durch vorzüglichen Feldbau und tüchtige Viehzucht aus. Zum Rittergute gehört das Vorwerk „der heitere Blick oder das neue Haus“ bei Taucha, dessen Oekonomie indessen durch Zusammenkauf von Feldern bedeutender ist als die zu Abtnaundorf. Auch „der heitere Blick,“ obgleich eine und eine halbe Stunde von Leipzig entfernt, wird von dieser Stadt aus fleissig besucht, denn das mit dem Vorwerk verbundene Gasthaus geniesst weit umher einen trefflichen Ruf.

Abtnaundorf ist ein sehr alter Ort. Derselbe gehörte im dreizehnten Jahrhundert dem Ritter Ulrich von Friedenberg, welcher um 1260 starb. Dessen Wittwe Gertraud, eine Tochter des Ritters Hilpert von Scuditz oder Sceuditz, schenkte aus „frommen Bewegnissen“ das Gut, welches damals Naundorf hiess, dem Kloster St. Petri zu Merseburg, welches zwölf Hufen des dazu gehörigen Feldes 1271 veräusserte. Seit das Gut Eigenthum des Klosters war, wurde es „des Abts Naundorf“ genannt. - Das Petrikloster scheint oft in Geldverlegenheit gewesen zu sein, denn Abtnaundorf war häufig und auf lange Zeit verpfändet, namentlich viele Jahre an einen Leipziger Bürger, Woog oder Wogb genannt, wesshalb der Ort zu dieser Zeit immer unter dem Namen Woognaundorf vorkommt. Die zerrütteten Finanzverhältnisse des Klosters, die damalige ausserordentlich hohe Türkensteuer und wohl auch die Fortschritte der Reformation bestimmten Abt und Convent zu St. Petri, das Gut im Jahre 1539 zu verkaufen, wahrscheinlich an einen Herrn von Thümmel, dessen Familie das benachbarte Rittergut Schönfeld bereits seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts besass. Den Herren von Thümmel gehörte Abtnaundorf bis gegen 1615, wo es an die Krams gelangte, denen auch das naheliegende Plösen zustand. Friedrich Kram flüchtete 1632 vor der Wuth des Schwedischen Kriegsvolkes nach Leipzig. Um das Jahr 1696 gehörte Abtnaundorf einer Leipziger Patrizierfamilie, den Kregeln von Sternbach, die das Gut 1752 an den Consistorialassessor und Beisitzer der Juristenfacultät Dr. Traugott Thomasius verkaufte. Derselbe starb 1755 und hinterliess Abtnaundorf seinem Sohne, dem churfürstlich Sächsischen Rittmeister August Benedikt Emanuel von Thomasius, der jedoch das Gut sofort an die Buchhändler Breitkopf und Stopp in Leipzig veräusserte, von denen es 1789 der hochverdiente churfürstlich Sächsische Kammerath und Banquier Christian Gottlob Frege zu Leipzig erwarb.

Christian Gottlob Frege war der Sohn des Pfarrers M. Christian Frege zu Lampertswalde bei Oschatz und 1715 daselbst geboren. Seinem eigenen Triebe folgend widmete er sich im vierundzwanzigsten Jahre dem Handelsstande und gab sich nicht ohne Erfolg besonders mit Wechselgeschäften ab. Zur Zeit des siebenjährigen Krieges und der grossen Theurung des Jahres 1771 zeichnete sich Frege durch seine vielfachen Wohlthaten aus und leistete auch überdies dem Vaterlande wesentliche Dienste. Er starb zu Leipzig 1781 und hinterliess den Ruf eines bescheidenen, einsichtsvollen, arbeitsamen, unternehmenden und in der Erfüllung seiner Versprechungen höchst pünktlichen Mannes. Ihm folgte sein Sohn, der Kammerrath Christian Gottlob Frege II., ein ebenfalls trefflicher

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/062&oldid=- (Version vom 21.5.2018)