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durchschnittlich das Jahr 40,000 Ellen Leinwand und 1200 Ellen sogenanntes Schwäbisch auf die Bleichen nach Chemnitz.

Nach der Reformation wurden die hiesigen Weber von den Belgiern und Niederländern mit Hilfe besserer Maschinen und neuer Erfindungen weit überflügelt und sie erlitten bedeutende Nachtheile, da ihre Waaren mit den aus den Niederlanden eingeführten nicht mehr die Concurrenz aushalten konnten. Mit Sorge sah dieses die edle Frau Brigitta von Schönberg, Wittwe des Herrn Wolfgang von Schönberg auf Neusorge, welche sich stets als eifrige Beschützerin der Industrie Frankenbergs gezeigt, und sie dachte darauf, die sich immer fühlbarer machenden Nachtheile von der Stadt dadurch abzuwenden, daß sie den niederländischen Kunstfleiß selbst in die Stadt einführte.

In Frankenberg lebte damals ein geschickter und talentvoller Weber, Namens Thomas Rockard. Diesen schickte die edle Brigitta von Schönberg im Jahre 1556 auf ihre Kosten nach Antwerpen, um dort die Fortschritte der Belgier in Färberei, Weberei und überhaupt in allen dahin einschlagenden Industriezweigen kennen zu lernen. Nach zwei Jahren – 1558 – kehrte Rockard nach seiner Vaterstadt zurück, ausgebildet in der Grünfärberei und Weberei. Auch brachte er das Modell zu einer niederländischen Zwirnmaschine, sogenannter Zwirnmühle, mit, und ließ, unterstützt von der Frau von Schönberg, nach diesem Modell eine dergleichen Mühle zum Staunen und zum Vortheil seiner Zeitgenossen erbauen. Wie eine alte Handschrift erzählt, kam Kurfürst August selbst nach Frankenberg, diese Mühle zu sehen, lobte den Erbauer, und klopfte ihm auf die Achsel, mit der Bemerkung: „Hätte ich doch ein Schock solcher Zwirnmüller in meinem Lande!“

Das auf dieser Mühle gezwirnte Garn war ein unentbehrliches Requisit zur Fabrikation der wollenen Zeuge selbst. Rockard führte nun die Grobgrün- oder Beragan- (Berkan) Weberei hier ein und bald wetteiferten Frankenbergs Fabrikate wieder mit den besten niederländischen Erzeugnissen, die Stadt hob sich zu neuer Blüthe.

Im Jahre 1610 befreite der Chemnitzer Rath Frankenbergs Weber von dem üblichen Stempelzins, welches wohlthätig einwirkte. 1612 zählte man hier schon über hundert Gesellen, welche aber 1613 rasch bis auf siebenundvierzig geschmolzen waren, welche Erscheinung ihre Ursache darin hatte, daß Balthasar Kreyschau, Kauf- und Handelsherr in Leipzig, sich ein förmliches Monopol über den Alleinverkauf der frankenberger Waaren ausgewirkt hatte, allein nicht im Stande war, dieselben zu bezahlen. Dieser Uebelstand, welcher selbst mit dem Ruin der frankenberger Weberei drohte, hörte erst 1620 auf. Fortwährend hatten dabei die Zeuchmacher Kämpfe mit der Tuchmacherinnung zu bestehen, doch schmolzen die Tuchmacher immer mehr zusammen, 1645 waren nur noch vierzehn Meister vorhanden, und nun kauften ihnen die Zeuchmacher die Walkmühle ab. Von dieser Zeit an hörten die Tuchmacher als besondere Innung gänzlich auf.

Im Jahre 1686 entstand ein neuer Industriezweig für Frankenberg; die Familien Uhlich und Vogelsang begründeten im genannten Jahre die Fabrikation feiner Wollenzeuge, wie auch gezogener und halbseidener Waaren, als z. B. Polemit, Flanell, Sayet u.s.w. Diese Fabrikation hob sich rasch, wogegen die Zeuchmacherei dadurch bedeutend gedrückt wurde und endlich 1712 so verfiel, daß die meisten Zeuchmacher nach Gera und nach Penig übersiedelten. Doch hob sich dieser Industriezweig von neuem, und 1758 zählte Frankenberg wieder 438 Meister, ohne die Wittwen, und 130 Gesellen, und es waren 700 Stühle im Gange, sowie über 1000 Menschen dabei in Beschäftigung.

Die Regierung bestrebte sich, den Gewerbfleiß Frankenbergs nach Kräften zu unterstützen und zu fördern und bethätigte ihren Eifer vorzüglich nach dem großen Brande im Jahr 1788, wo 125 der besten Häuser und 21 Scheunen in Asche verwandelt wurden. Frankenberg bekam damals aus der

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/92&oldid=- (Version vom 9.3.2019)