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Diese Wallfahrten mögen besonders häufig gewesen sein, als Porochin in Besitz des reichen Klosters Zella kam und als ein Vorwerk desselben betrachtet wurde. Nach Einführung der Reformation und Aufhebung des Klosters verfiel die berühmte Kapelle, zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts sah man noch Mauerreste von ihr, jetzt ist jede Spur verschwunden.

Zu welchem Preise man in jenen Zeiten sich oft in Besitz von Gütern setzen konnte, möge folgende Notiz zeigen. Böhrigen war nach Aufhebung des Klosters in die Hände Kaspars von Schönberg auf Sachsenburg gekommen, welcher um 1555 dieses Gut, „nebst stattlichen Diensten von etlichen zellischen Dörfern, guter Schäferei, ziemlicher Fischerei, Mühlzins u.s.w.“ an Herrn von Sebottendorf für 403 Gulden verkaufte.

Der Ort war immer klein, denn lange Zeit bestand er nur aus den zum Rittergut gehörigen Gebäuden und einigen wenigen Wohnhäusern, und erst in neuester Zeit steigerte sich die Einwohnerzahl. Während Böhrigen im Jahre 1815 in vierzehn bewohnten Gebäuden erst 94 Einwohner besaß, stieg diese Zahl 1850 schon bis auf 398 in zweiundzwanzig Gebäuden und hatte sich nach sechs Jahren um volle dreihundert vermehrt, denn 1856 lebten hier schon 698 Einwohner in neununddreißig Gebäuden.

Eine solche überraschende Vermehrung der Einwohner ist nur in Orten möglich, wo Industrie ihre Regsamkeit entfaltet und namentlich, wo großartigere geschlossene Etablissements blühen, welche den Zusammenfluß von Arbeitskräften an einem bestimmten Punkte befördern. In der That finden wir bei Böhrigen dieselbe Ursache, denn hier blüht eine in ihrer Branche zu den bedeutendsten Etablissements Sachsens zählende Fabrik, die Wollenwaarenfabrik von F. G. Lehmann.

Dieses großartige Etablissement liegt an dem Ufer der großen Striegis und umfaßt einen Complex von siebenundzwanzig Gebäuden, als:

ein Hauptgebäude mit Comptoir, den Waarenlagern, der Spinnerei und einem Theil der Appretur;
ein Hauptgebäude mit der Färberei, Dekatur, Rauherei, Trockenlokale für fertige Waaren, Garn und Wolle, Farbewaarenniederlage, Farbenmühle und der Wohnung des Faktors u. Färbers;
ein Hauptgebäude mit der Seifen-, Laugen- und Leimsiederei, Ausputz- und Federwäsche, und mit Wollboden;
ein Hauptgebäude, enthaltend neunzehn mechanische Webestühle und Bäummaschinen, so wie die Lochwalke;
ein Hauptgebäude mit fünf Walzwalken, fünf Waschmaschinen, Holzraspel und Blauapparat, auch ist hier die Dreschmaschine aufgestellt;
ein sechstes Hauptgebäude enthält die Presserei, Lokale zum Wolllesen, Waarenmagazin, Ablieferungsstube, Handweberei, Wohnung für Werkmeister, Lohmeister, Schlosser, Hausmann etc.;
ein Gebäude, als Wollmagazin dienend;
ein Hauptgebäude, hauptsächlich zum Betriebe der Oekonomie bestimmt, enthaltend Viehställe aller Art, Heu-, Grumt-, Stroh- und Getreideböden, Kellereien, Wohnung des Verwalters, des Procuristen, der Lehrerin, der Commis und Lehrlinge; auch ist hier die Fabrikschlosserei untergebracht;
drei Nebengebäude als Scheunen und Schuppen dienend, mit Kutscherwohnung, Wagenremisen, Holz- und Kohlenniederlagen u.s.w.; und
sechszehn Gebäude, ausschließlich zu Arbeiterwohnungen bestimmt.

Das Etablissement betreibt die Schafwollenwaaren-Fabrikation in ihrem ganzen Umfange und mit allen Nebenbranchen; außerdem befindet sich hier noch eine bedeutende Oekonomie.

Haupterzeugnisse der Fabrik sind: Flanelle, Lamaflanelle, Domets, Moltons, Spanish-Stripes, Circassienne, Boys, Lamas, Decken, Casemir ecossaine, Masud-Serail u.s.w., von denen die ersten sechs Artikel als die berühmtesten und gangbarsten betrachtet werden können.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 2. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_2.pdf/286&oldid=- (Version vom 11.5.2019)