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Den Reihen der verschiedenen Etablissements dieser hochwichtigen Industrie-Werkstätte eröffnen wir mit Fug und Recht mit einem der berühmtesten und wohlbekanntesten derselben, mit der


Maschinenfabrik von Louis Schönherr & Seidler.

Louis Schönherr, aus Plauen im Voigtlande gebürtig, unbestreitbar ein genialer Erfinder, wie ihn mit Recht schon Friedrich Georg Wieck nannte, baute seit 1837 in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wilhelm Schönherr den von ihnen erfundenen und nach ihnen benannten mechanischen Webstuhl zu Nieder-Schlema bei Schneeberg, der in mehreren Ländern patentirt wurde. Wie es aber in Deutschland in der Regel Erfindern ergehet, konnten auch die Gebrüder Schönherr nicht nach Wunsche prosperiren, was seinen Grund hauptsächlich darin hatte, daß man in Deutschland mit der mechanischen Weberei nicht so recht fortgehen wollte. Die günstige Meinung für diese Stühle mußte sich erst nach und nach durcharbeiten und ihre Tauglichkeit sich unbestreitbar feststellen, ehe es gelingen konnte, die Concurrenz der englischen Maschinenwebstühle, die eine langjährige Erprobung für sich hatten, einigermaßen niederzuhalten.

Erst der großen Londoner Welt-Industrie-Ausstellung war es vorbehalten, bei vielen Deutschen, welche nicht allein diese Ausstellung, sondern bei ihrer Anwesenheit in England auch manche Fabrik besucht hatten, eine günstigere Meinung für den mechanischen Webstuhl zu erwecken und Platz greifen zu lassen, und man sah sich somit nun in Deutschland nach Maschinenbauern um, die im Baue solcher mechanischen Webstühle schon einigen Ruf erlangt hatten. Da richteten sich natürlich die Augen auf Louis Schönherr, der ja schon seit einer Reihe von Jahren nur mechanische Webstühle gebaut hatte, und er wurde jetzt von allen Seiten aufgefordert, seine Force geltend zu machen, was denn auch in Verbindung mit seinem jetzigen Associé, Herrn Ernst Seidler in Chemnitz, da jener die im Verein mit seinem Bruder, wie oben erwähnt, früher betriebene Maschinenwerkstatt schon vor mehreren Jahren verlassen hatte, in Ausführung gebracht wurde, indem Beide im Jahre 1852 gemeinschaftlich eine Werkstatt zur ausschließlichen Anfertigung von mechanischen Webstühlen in Chemnitz errichteten. Sie begannen das Geschäft zuerst mit 15 Arbeitern, welches aber stets in schnellem Wachsen begriffen war und noch ist, was schon durch die jetzige Zahl der Arbeiter, die über 160 Mann beträgt, bewiesen wird.

Der leitende Hauptgrundsatz dieses Etablissements ist, keinem anderen Constructeur oder Erfinder etwas nachzubauen, sondern nur Constructionen von Louis Schönherr’schen Erfindungen in Ausführung zu bringen, die übrigens bereits in England, Frankreich, Belgien, Oesterreich, Preußen, Schweden, Hannover und Sachsen patentirt sind.

Es bezweckt dasselbe daher einzig und allein den Maschinenbau, der aber nur, wie schon erwähnt, die Erbauung mechanischer Webstühle von Louis Schönherr’scher patentirter Erfindung und Herstellung anderer bei der mechanischen Weberei nöthigen Maschinen und Vorrichtungen in sich faßt.

Mit Erbauung anderer Maschinen befaßt sich dieses Etablissement grundsätzlich nicht, sondern widmet sich vielmehr nur einzig dieser Branche und verwendet darauf ausschließlich seine pecuniären und intellectuellen Kräfte, wodurch es in den Stand gesetzt wird, eine immer größere Vollkommenheit in diesem seinen besonderen Fache zu erlangen, welche nicht so leicht von der Concurrenz übertroffen werden kann; es steht das Schönherr’- und Seidler’sche auch als das einzige Etablissement dieser Art in Deutschland bis jetzt da, welches von Jahr zu Jahr an Blüthe und Berühmtheit zunimmt.

Obgleich diese Fabrik den feststehenden Grundsatz hat, Gewerbe- und Industrie-Ausstellungen mit ihren Maschinen nie zu beschicken, so ist sie doch seit ihrer Entstehung im Jahre 1852 stets so vollauf beschäftigt gewesen, daß sie, selbst bei den durch den Krieg eingetretenen allgemeinen Geschäftsstockungen in den Jahren 1854 und 1855, immer nur in Verlegenheit gewesen ist, wen sie von den vielen Bestellern zuerst bedienen

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Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/49&oldid=- (Version vom 7.1.2019)