Seite:Album der Sächsischen Industrie Band 1.pdf/226

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nach des Gründers 1820 erfolgtem Tode wurde das Etablissement bis heute unter der früheren Firma fortgeführt, ob auch mehrmals Besitzwechsel stattfanden. Während ihres Bestehens hat sich die Spinnerei nur in so fern verändert, als die Maschinen des alten Systems nach und nach außer Thätigkeit gesetzt und mit anderen von neuester Construction vertauscht wurden. Verhältnißmäßig zeitig wurde auch die Reserve-Dampfkraft angewendet.




Wir haben in vorstehendem Artikel die Schöpfung eines um die Industrie, besonders um die der Stadt Chemnitz hochverdienten Mannes besprochen, eines Mannes, dessen Name heute noch mit hoher Verehrung von jedem Munde ausgesprochen wird und dessen sich noch Viele dankbaren Herzens erinnern, nicht nur wegen seiner großen Verdienste um die Industrie, sondern auch wegen seiner seltenen Menschenfreundlichkeit und der edlen Gesinnung, welche ihn beseelte. Der Name dieses Mannes ist

Christian Gottfried Becker,

über welchen, als eine der bedeutendsten industriellen Persönlichkeiten, uns vergönnt sei, einige Worte zu sprechen und eine kurze Schilderung seines Lebens zu geben.

Christian Gottfried Becker war zu Ober-Lichtenau in der Ober-Lausitz am 2. Septbr. 1771 geboren. Sein Vater war Pfarrer daselbst und kam in der Folge nach Mittweida, wo er als Pastor und Ephorieadjunkt 1793 starb.

Becker erhielt in dem Hause seines würdigen Vaters musterhafte Erziehung, welche sowohl auf die Ausbildung der reichen Geistesgaben des Knaben, als auch auf die seines Herzens berechnet war und die reichsten Früchte trug. Frühzeitig schon gab sich jener einfache, innige, von aller Frömmelei entfernte religiöse Sinn zu erkennen, welchen Becker durch sein ganzes Leben treu bewahrte.

Dem Vater würde es wohl lieber gewesen sein, wenn der begabte Sohn in seine Fußtapfen getreten wäre und die Theologie zu seinem Lebensberuf gewählt hätte, doch mochte er der vorzugsweise dem Handel und der Industrie sich zuwendenden Neigung des Sohnes keinen Zwang anlegen und sandte ihn nach Dresden zur Erlernung der Kaufmannschaft. Die Versetzung seines Vaters mochte vielleicht eine Hauptursache sein, daß der mit zärtlicher Liebe an seinen Eltern hängende Sohn eine Stellung in jener Gegend suchte und so kam er auf vielseitige Empfehlung zu Anfang der neunziger Jahre als Handlungsdiener eines angesehenen Hauses nach Chemnitz.

Damals war es, wo die Chemnitzer Weberei und Cottonerie, nachdem sie längere Zeit auf die empfindlichste Weise niedergedrückt gewesen, neuen und so erfreulichen Aufschwung nahm, daß die Bewohnerzahl der Stadt sich fast verdoppelte und die Stadt selbst durch neuen Anbau – z. B. der Vorstadt Aue – vergrößert werden mußte. Auch Becker richtete jetzt seine Augen mit lebhaftem Interesse auf diesen Industriezweig und er errichtete bald darauf ein eigenes Geschäft in einer Compagniehandlung von baumwollenen und halbseidenen Waaren, welchem er durch seine umsichtige Thätigkeit schnell eine bedeutende Stellung verschaffte.

Nach fünf Jahren wandte sich Beckers Unternehmungsgeist ausschließlich der Kattundruckerei zu, und dem, was dieser förderlich sein konnte. Er errichtete selbst eine Fabrik und eilte mit rastloser Thätigkeit in seinem Etablissement von Fortschritt zu Fortschritt; glückliche Erfolge lohnten seinen Fleiß. Im Jahr 1804 entstand ein zu seiner Fabrik nöthiges großes Druckgebäude, zwei Jahre später ließ er ein

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/226&oldid=- (Version vom 9.3.2019)