Seite:Album der Sächsischen Industrie Band 1.pdf/12

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kurzer Ueberblick über die Industriezweige der Stadt Chemnitz.




Bevor wir auf die specielle Darstellung der einzelnen Fabrikanlagen unseres Vaterlandes übergehen, halten wir uns im allgemeinen Interesse für verpflichtet, noch ein kurzgedrängtes Bild von Sachsens erster Fabrikstadt, Chemnitz, hinsichtlich ihrer Gewerbsthätigkeit zu geben, da sich das ganze industrielle Leben Sachsens daselbst, auf einen Punkt zusammengedrängt, am treuesten spiegelt, und wir doch später sehr oft werden Gelegenheit nehmen müßen, auf die einzelnen Etablissements dieser Stadt von Zeit zu Zeit zurückzukommen.

Die Zuversicht, mit welcher man auf die fortgehende Entwickelung der Chemnitzer Industrie zu blicken gewohnt ist, gründet sich namentlich darauf, daß Chemnitz seine Thätigkeit nicht, wie viele andere Industriestädte Sachsens, auf einen Zweig, sondern auf sehr verschiedene gerichtet hat, die theilweise von einander fast ganz unabhängig sind, so daß der Schlag, den manchmal einzelne Geschäftszweige empfinden, fast niemals alle trifft.

Diejenigen Gewerbe, durch welche Chemnitz schon im Mittelalter und bis zum dreißigjährigen Kriege als Industriestadt galt, haben entweder ganz aufgehört, wie die Tuchmacherei, oder eine ganz andere Gestalt angenommen, wie die Leinweberei und Bleicherei; die jetzt in Chemnitz blühenden Gewerbe sind sämmtlich Kinder der neueren Zeit. Als die hervorragendsten nennen wir die Buntweberei, die Strumpfwirkerei, in beider Dienste die Färberei, die Druckerei, die Maschinenspinnerei in Baum- und Schaafwolle, und den Maschinenbau.

Die Buntweberei ist allerdings aus der mittelalterlichen Leinweberei hervorgegangen, hat sich aber in neuerer Zeit ganz auf die Anfertigung schwerer, meist aus Baumwolle, Schaafwolle und Seide gemischter Stoffe geworfen. Hervorragend ist die Fabrikation bunter Damaste, sogenannter Möbelstoffe, Decken und Teppiche, wozu sich erst seit einigen Jahren Mäntel- und Kleiderstoffe, wie sie namentlich Glauchau und Meerane liefern, gesellt haben. Die leichteren Buntwaaren, wie Ginghams etc. werden zwar von Chemnitzer Verlegern in Arbeit gegeben, größtentheils aber auswärts, in Frankenberg, Mittweida, Lengefeld bei Zschopau und an andern Orten gefertigt, weil der zu geringe Lohn für den Chemnitzer Weber nicht ausreicht. Die Weberei ist meistentheils noch Hausindustrie, so daß die Weber in ihren Wohnungen die mit Jacquard-, Tritt- und anderen Hilfsmaschinen versehenen Stühle haben und die nach Muster und erhaltener Zuthat gefertigten Waaren an den Fabrikanten abliefern, aber es bestehen jetzt auch viele geschlossene Etablissements, in denen theils auf Handstühlen, theils auf mechanischen Webstühlen an Wasser und Dampf gearbeitet wird. So z. B. bei Robert Hösel und Comp., Wilhelm Matthes jun., Ufert und Eifler, F. W. Schott, L. und W. Voigt, Eduard Lochmann u. m. a. Hauptsächlich werden die Waaren im Orient und in Amerika abgesetzt. Ganz neu für Chemnitz ist die mechanische Flanellweberei von C. M. Fiedler.

Nächst der Weberei entwickelte sich aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts die Strumpfwirkerei, deren Arbeiter sich jedoch nicht in der Stadt, sondern in den Dörfern der Umgegend befinden, so daß nur die Verlagsgeschäfte, Appreturen und geschlossenen Etablissements in der Stadt selbst sind, während sehr bedeutende Verlagsgeschäfte auch in Stollberg (das Woller’sche, das größte Sachsens) Limbach, Grüna, Hohenstein etc. gefunden werden. Man fertigt größtenteils baumwollne, geschnittene Waare zur Ausfuhr nach Amerika. Limbach betreibt hauptsächlich die Anfertigung halbseidener und seidener Waaren. Mechanische

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Album der Sächsischen Industrie Band 1. Louis Oeser, Neusalza 1856, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_S%C3%A4chsischen_Industrie_Band_1.pdf/12&oldid=- (Version vom 7.1.2019)