der Treue im Ganzen, 2) von der Treue im Einzelnen, 3) von der Treue für das Ganze.
Es gibt, im Herrn Geliebte, im Christenthum gewisse Grundforderungen, gewisse Grundtugenden, in denen sein gesammter Umfang wie in eins zusammengefaßt ist. Eine solche Grundtugend ist die Treue. Immer werden wir aufgefordert zur Treue, zur Treue gegen unsern Gott, gegen unsern Heiland, zur Treue in unserm Christenberuf. Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, das steht als mahnende Inschrift über dem ganzen Verlauf unseres Christenlebens. Diese Inschrift schreibt uns unser Evangelium, schreibt uns aber auch die Mahnstimme des Krieges.
Geliebte in dem Herrn! Ihr gedenket heute auch im Gotteshause eurer Angehörigen in der Ferne, eurer Gatten, Söhne[,] Brüder, die vor dem Feinde gestanden und noch vor ihm stehen. Sorge, Furcht, Angst erfüllt so manche Seele; man fragt sich ob der Abschied vor einigen Wochen nicht für immer in diesem Leben scheide! Ihr sendet ihnen heute eure Segensgrüße, eure Gebete zu. Unsere Gebete sollen ja überhaupt unsere Krieger tragen und umschirmen. Aber auch von ihnen soll etwas auf uns, soll ein Segen, eine Kraft auf uns ausgehen. Sie sollen uns Prediger der Treue werden. Der Krieg ist etwas Furchtbares; aber er hat doch auch noch eine andere als schreckensvolle Seite. Im Kriege entfalten sich auch herrliche Tugenden; das rauhe Kriegswerk wird ehrwürdig durch dieselben. Muth, Tapferkeit, Entschlossenheit gelten viel im Kriege, aber die schönste Blüthe, die Zusammenfassung aller kriegerischen Tugenden ist doch die Treue. Da zieht der Krieger aus, – zur Fahne hat er geschworen, Treue hat er seinem Kriegsherrn, Treue seinem Volk und Vaterland gelobt, und in dieser Treue verachtet er die Gefahr, setzt er sein Leben ein, ist bereit zu siegen oder zu sterben. Nicht umsonst hat man je und je den Tod für’s Vaterland gepriesen; es ist der Tod der Treue, der höchsten irdischen Treue.
Doch nicht allein irdische Treue ist es, die im Kriege sich entfaltet. Wundersam sind gerade im Kriege, im gerechten Kriege Treue gegen den irdischen, Treue gegen den himmlischen Herrn, Treue gegen irdische, Treue gegen himmlische Gewalten in einander
Adolf von Stählin: Wie Gottes Wort in der gegenwärtigen Kriegszeit uns zur Treue mahnt. C. Brügel und Sohn, Ansbach 1870, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Wie_Gottes_Wort_in_der_gegenw%C3%A4rtigen_Kriegszeit_uns_zur_Treue_mahnt.pdf/6&oldid=- (Version vom 24.10.2016)