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selbst aus der Schrift gefunden: „Die Tradition war mir eher klar als die Schrift, das Licht der Kirche leitete mich zum Brunnen der Warheit“. Erst später fand Löhe in tieferem Studium der hl. Schrift, dass „die symbolischen Entscheidungen der lutherischen Kirche dieser entsprachen“. Es ist jedenfalls merkwürdig, dass die nächsten Impulse für Löhes gesammte christlich kirchliche Lebensrichtung die landeskirchliche Tradition und das Wort eines reformirten Lehrers bildeten. Im Sommersemester 1828 weilte Löhe in Berlin; von tieferem theologischen Einfluss war dieser Aufenthalt nicht, wie denn überhaupt die Würdigung der Theologie nach ihrer spezifischen Bedeutung für die jeweilige Gegenwart nicht Löhes Sache war. Dagegen zogen ihn die damaligen bedeutenden Prediger Berlins, Schleiermacher nicht ausgeschlossen, sehr an; von besonderem Wert war ihm das homiletische Seminar von Strauß. Nach der im Jare 1830 bestandenen theologischen Prüfung, bei welcher seine originelle, geistgesalbte Predigt bereits Aufsehen gemacht hatte, kam bei dem damaligen Überfluss an Kandidaten für Löhe zunächst eine Zeit peinlichsten Wartens, in der er sich damit tröstete, daß er einmal auf Tod und Leben predigen werde. Bereits im folgenden Jare brach für ihn als Privatvikar in Kirchenlamitz in Oberfranken die Zeit einer reichgesegneten pastoralen Wirksamkeit an. Sie fiel in die schöne Periode geistlicher Erweckung, welche auch für Bayern längst angebrochen war. Eine gewaltige Bewegung ging von ihm aus; von weither strömte ihm das Volk zu. Neben unermüdlicher amtlicher Tätigkeit in Kirche und Schule ging damals schon, vorbildlich für später, die nachhaltigste Arbeit der Sammlung der Gläubigen in der Gemeinde zum Dienst an ihr einher. Gleich anfangs wurde Löhe in seiner Tätigkeit etwas beunruhigt; zwei Jare konnte er aber, wie er selbst berichtet, im vollen Frieden wirken, bis der Widerwille nicht der Gemeinde, sondern des dortigen Landrichters gegen ihn losbrach. Statliche und kirchliche Bureaukratie wirkten zusammen, um ihn von einer Stätte, wo er nach eigener Äußerung die schönste Zeit seines Lebens verbracht, zu entfernen. Der Dekan von Wunsiedel, von allem geistlichen Verständnis verlassen, lobte Löhe nach den verschiedensten Seiten, entdeckte aber bei ihm

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)